NEUES ALBUM "WIEN" (monkey) ERSCHEINT IM MÄRZ 2008!
ROBERT ROTIFER über WIEN:
Mitten in der Heurigengegend, der natürlichen Wiege des wehmütig süßlichen Wienerlieds, auf jenem Anstieg zum Kahlenberg, der den gemütlichen Namen „Eiserne Hand“ trägt, „dort, wo der Mond überm Elektromasten steht“, liegt die Heimat zweier missbrauchter Geschwister. Seit sie ihren Peiniger, den bösen Onkel, selbst gerichtet haben, leben sie dort in den Bäumen. Willkommen im Wien des Ernst Molden, wo hinter der täuschenden Leichtigkeit eines von seiner schürfenden E-Gitarre aufgerauten, beschwingten Beats verlässlich die schwärzeste Story lauert.
Es war letztes Jahr rund um die Veröffentlichung seines erfolgreichen letzten Albums “Bubenliederâ€, da lud die verehrte Wiener Musik- und Radiopersönlichkeit Willi Resetarits Ernst Molden in seine Sendung “Trost und Rat†ein. Die beiden sangen zusammen ein paar von Moldens Liedern und eine steinerweichende Version von Townes van Zandt’s “Pancho & Leftyâ€.
“Beim Bier nachher in der Funkhaus-Kantine hat er mich gefragt, ob ich ihm einen Song schreiben könneâ€, erzählt Molden, “Das war dann die ‘Hammerschmidgossn’. Die spielt der Willi seit Herbst auch mit seiner Stubnblues-Band.â€
Jene Eloge auf eine Straße, die das bürgerliche Grinzing mit der proletarischen Heiligenstadt verbindet, sollte sich als eine von Moldens bisher stärksten gesungenen Wiener Geschichten mit unzweifelhaft autobiographischen Aspekten erweisen. “I foig ana foischn Spurâ€, heißt es da, aber gerade dieses Verwerfen von Sentimentalität umflorter Erinnerungen an “die größte Gstettn im Bezirk†und den – insbesondere im Kampf gegen die Heiligenstädter Gang – so kräftigen Jugendfreund Privoznik macht den Nachklang der Nummer umso tragischer: “I sog servas zu meina Gossn, und de Gossn griaßt net retour.â€
Eine von seiner eigenen Formation (Heinz Kittner am Schlagzeug, Hannes Wirth und Stephan Stanzel von A Life, A Song, A Cigarette an Gitarre und Bass) begleitete, im inbrünstigen Duett mit Resetarits gesungene Version der “Hammerschmidgossn†hat es nun als “Extraâ€-Stück auf Moldens neuestes Werk geschafft, dessen schlichter, aber kühner Titel “Wien†das große Konzept eines Stadtporträts suggeriert – schon wieder eine falsche Spur, entsprang dieses Album doch vielmehr als ungeplante Wucherung der rastlosen Imagination des Vielschreibers Molden.
Zunächst ging es bloß um eine EP etwas älterer, zu Unrecht übersehener Lieder wie “Wiesenliegenâ€, “Nach dem Regen†oder das subtile Selbstmorddrama “Hotelâ€, aber dann folgten noch weitere Sessions mit Kittner, Stanzel, Wirth und Backing-Vokalistin Sibylle Kefer, sowie Gästen Alex Meissl (Bass), Rainer Krispel (Stimme) und meiner Wenigkeit (Gitarre) in Daniel Grailachs “Tonkombüse†genanntem Heimstudio, alles unter der pedantischen Aufsicht des Münchner Klangkünstlers und Vinylfetischisten Kalle Laar.
Molden lernte Laar über dessen Frau Augusta kennen, mit der er 1998 die von Nick Cave geleitete Klasse der Wiener Schule für Dichtung zum Thema des Lovesong besucht hatte. “Irgendwannâ€, erzählt Molden, “hat die dann den Kalle als neuen Liebsten - und späteren Gatten - angebracht. Dann haben wir bei zwei Alben über Kooperationen nur geredet, und seit den ‘Bubenliedern’ tun wir’s auch.â€
Und wie. Bei der gemeinsamen Arbeit entwickeln der Songschreiber und sein Produzent einen für Außenstehende kaum nachvollziehbaren kritischen Blick auf jede kleinste Färbung in Moldens Vortrag, wobei Laar Molden mindestens so oft zum Stehenlassen wie zum Überdenken seiner zumeist live mit der Band eingespielten Takes fordert.
So kommen dann auch mitreißend nackte Momente wie der bloß von einer böse schnarrenden Akustikgitarre begleitete „Luegerplatz“ zustande, eine Nummer über ein oft vergessenes Eck der Wiener Innenstadt, die Molden während des Wartens auf die Aufnahme-Session auf einer Parkbank schrieb und prompt in ihrer rauesten Urform verewigte.
Auf der anderen Seite des Wienflusses im dritten Bezirk verkehren die Figuren aus „Sankt Elisabeth“, zwischen dem gleichnamigen katholischen Krankenhaus und dem verlotterten Landstraßer Bahnhof, wo die Polizisten die Verbrecher und die Verbrecher das Geld ordnen.
Jenseits des Donaukanals wiederum, wo in und um die Rustenschacher Allee des Nachts die ärmsten Huren der Stadt auf den Strich gehen, spielt die düstere Geschichte des Titelsongs „Wien“, gleichzeitig ein zeitgenössisches Pendant und – in seinem ungeziert mitfühlenden Ton – ein polarer Gegensatz zum Zynismus von Gerhard Bronners legendärer „Engelmacherin“.
Es ist eine Welt, in der sich Molden als sprachverliebter Schriftsteller und leidenschaftlicher Liebhaber der Wiener Gruppe schon auf seinen Alben „Nimm mich Schwester“, „Haus des Meeres“ und „Bubenlieder“ umsah, lange bevor es wieder modern wurde, die Verbindungen zwischen Helmut Qualtinger und den guten Seiten des sogenannten Austropop zu erkunden. Folglich kennt sich auch keiner in dieser Welt so gut aus wie er, der sich dieser Tage statt der gern als hochtrabendes Qualitätsprädikat missbrauchten Bezeichnung „Songwriter“ eigentlich lieber einen „Liedermacher“ nennt.
“Ich komme aus Wien. Ich kann nichts dafürâ€, sagt Ernst Molden, “Und ich hätte es viel schlimmer treffen können. Ich bewege mich von Zeit zu Zeit aus Wien fort, eine Art seelisches Gummiband zieht mich wieder zurück. ‘Wien’ ist die Platte, mit der ich der Welt meine Stadt zeige. Wo man dort wohnt, wo man dort heult, wo man lacht, wo man begraben sein will und wo man sich küsst.â€
Es gibt übrigens auch schon ein Gegenstück zu “Wienâ€, nämlich “Foanâ€, eine Platte übersetzter “uaspringlich auslendischa numman†aus dem anglo-amerikanischen Kanon, mit der Molden umgekehrt seiner Stadt die Welt zeigen will, aber die muss aus verlagsrechtlichen Gründen noch auf ihre Veröffentlichung warten.
Einstweilen lassen wir uns von “Wien†durch Ernst Moldens Stadt führen und mit auf die “Ostfahrt†nehmen, wo uns im Zugabteil die Mädchen “Stille Nacht auf Russisch singenâ€, solange “niemand kommt das zu verbietenâ€, bis hinein in den Frühling, wenn wir mit seinen Liedern im Kopf in den Wiesen liegen werden, samt “Ameisen mit Nudeln im Geschirrâ€, denn “Das Leben gibt uns Waffenstillstand, solang’s in dieser Muschel braust“. Was für eine Platte.
(Robert Rotifer, Jänner 2008)
"Ambros, Fendrich und Co mögen im Paralleluniversum der "Seitenblicke" täglich aus der Kiste grinsen und damit österreichischen Pop desavouieren, Molden belegt, dass es längst andere und bessere Wirklichkeiten gibt."
Karl Fluch, Der Standard
"Wie nur wenigen gelingt es Ernst Molden, Literatur und Musik zu kleinen Kunstwerken zu verbinden. Seine Songs erschaffen gewissermaßen Parallelwelten, sie sind wie surreale Kurzfilme, die dennoch vom Hier und Jetzt erzählen."
Klaus Totzler, ORF, Zeit Im Bild
ERNST MOLDEN (vocals, acoustic and electric guitars, harp),
geboren 1967, Schriftsteller und Singer/Songwriter. Vielbeachtete Romane, darunter AUSTREIBEN und DOKTOR PARANOISKI.
Österreichischer Förderungspreis für Literatur 2000.
Gründer der Bands TEUFEL UND DER REST DER GÖTTER sowie DER NACHTBUS. Mitglied des Cowpunk-Duos THE RED RIVER TWO. Mehrere Plattenveröffentlichungen, zuletzt NIMM MICH SCHWESTER (hoanzl, 2003), HAUS DES MEERES (extraplatte 2005) und BUBENLIEDER (monkey 2006).
Co-Featuring:
SIBYLLE KEFER (vocals, flute)
geboren 1976, Sängerin, Flötistin und Musiktherapeutin. Jahrelang Vocals bei den AUSSEER HARDBRADLERN, nunmehr auch mit ihrem Soloprojekt SiE unterwegs.
HEINZ KITTNER (drums),
Jahrgang 1969. Studium der Philosophie.
Schlagzeuger, Kameramann, Kommunikationstheoretiker.
STEPHAN STANZEL (bass),
geboren 1981, Graphic-Designer und Multiinstrumentalist. Frontman und
Songwriter der Wiener Band A LIFE, A SONG, A CIGARETTE.
HANNES WIRTH (guitar)
Gitarrist in zahlreichen Formationen der Wiener Independent Szene,
u.a. bei 99 und HOUSEVERSTAND, augenblicklich außer bei der Moldenband vorrangig bei A LIFE, A SONG, A CIGARETTE aktiv.