SUBSTYLE, Walk the Dino...
„Walk The Dino“ ist weder eine Aufforderung zum Ausdruckstanz, noch der Befehl, den Lauf der Dinosaurier zu nehmen, sondern „Walk The Dino“ ist der Titel des neuen Albums der Kölner Band SUBSTYLE und man erwartet nicht zu Unrecht den Sound, der einem Tyrannosaurus angemessen wäre. Nach einer Ruhe- und Reifezeit von sechs Jahren präsentieren die Alternative Rocker hier ihren düster-optimistischen Rock, der deutlich mehr „Adult“ ist als Zeitgeist-Firlefanz aufweist. Es empfangen einen sowohl treibende Gitarrenstakkatos als auch melodiöse Riffs (ohne sich in Hardrock-Sologedudel zu verlieren), druckvoller Bass, unterstützt von ungekünsteltem Schlagzeug und das alles abgerundet von gezielt eingesetzten elektronischen Samples bei gekonnt flexibel gehandhabtem Gesang oder Geschrei, der teilweise hymnische Ausmaße annimmt. Ein Sound, bei dem sogar das bei einigen Parts verwendete Akkordeon seine Berechtigung hat, ohne dass man auf den Gedanken käme, sich an die Gypsy-Welle anzubiedern. Melancholie ohne zu heulen, Energie ohne Red Bull oder Wellness-Scheiß, Zuversicht ohne Psychopharmaka, Spaß ohne lustige Hütchen. Hier drehen die apokalyptischen Geisterreiter vor Arbeitsbeginn nochmal um und gehen lieber Tanzen...
„Walk the Dino“ ist wie ein dunkler Horizont, an dem links noch ein Tornado tobt, während rechts schon langsam die Sonne wieder durch die Wolken bricht.
Kurz: Hätte Gott die Dinosaurier so gemacht, wie Substyle ihre Musik, hätten sie die Eiszeit überlebt.
Aber wie konnte es überhaupt zu diesem Album kommen? Um bei der Schöpfungsgeschichte zu bleiben, möge man sich die Szenerie so vorstellen:
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, dann war die Woche rum, er traf sich auf ein Feierabendbier mit dem Teufel und weil ihnen der Soundtrack zum ewigen Pokern um Gut und Böse fehlte, schufen sie Substyle.
Oder sagen wir: sie fertigten ein paar Probeexamplare und legten hervorragendes Erbgut in der Musikwelt aus, aus denen sich 1998 die Band entwickelte, die als eine der ersten deutschen Combos geschmackssicher und experimentierfreudig aus jedem Topf des Alternative-Buffets naschte, um sich ihr ganz eigenes Süppchen zu kochen. Das Talent der jungen Herren, Energie, Tempo, Mörder-Riffs und Sahne-Hooklines immer wieder mit bösen oder dramatischen Facetten und sowohl melodischem als auch gepflegtem Screamo-Gesang zu kombinieren, ließ bald auch den Paul Bocuses des Musikgeschäfts das Wasser im Munde zusammen laufen. Nach der in Eigenregie veröffentlichten EP „Cold Light Of Day“ 1999 folgte der erste Plattenvertrag bei „Stars in the Dark/Vielklang“ (Berlin).
Angesichts der Tatsache, dass es viele talentierte Bands auf diesem Erdball gibt, die nichts auf Vinyl oder die Reihe kriegen, nehmen wir einfach an, dass Gott oder Satan (je nachdem, wer halt gerade Substyle zugetan war), eine Serie von Royal Flushs beim Pokern hatte, denn die Jungs konnten ihre Qualitäten unter Beweis stellen und die Dinge entwickelten sich wirklich gut.
2001 erschien das Debutalbum „On the Rocks“, wurde zu recht viel gelobt, die Single „Downstream“ entwickelte sich zum Clubhit, aber vor allem zeichneten sich die fünf Substyler, Guido Böckem (Gesang), Heiwi Esser (Gitarre), David Kremers (Bass), Tobias Schellin (Geige) und Sebastian Schlüssel (Schlagzeug), auch dadurch aus, dass sie keine intellektuellen Journalistenliebchen waren, sondern sich die Ärsche abspielten und als Toursupport u.a. von „In Extremo“ das Publikum zu begeistern verstanden.
2002 unterzeichneten sie sogar einen Major-Vertrag bei “Motor Music/Universal Music“ (Berlin), die EP mit dem großartigen Titel „I'm God, and this is my day“ (womit sich jeder Tag in jeglicher Hinsicht viel entspannter beginnen lässt!) wurde veröffentlicht und bald danach das zweite Album „Out to Lunch“, sowie die Single..s „Still living“ und „Cotton Candy Club“, die allesamt mehr als positiv aufhorchen ließen. Die Jungs gingen als Support von „Die Happy“, „Sub7even“ und den „Emil Bulls“ auf Tour und schafften es als Vorband von „Motörhead“ nicht nur, dem gemeinhin eher als „geschmacklich eingeschränkten Lemmy-Fan“, einen Waffenstillstand abzuringen, nein, sie wurden sogar gefeiert, ohne dabei lebensbedrohliche Verluste verzeichnen zu müssen.
Die kamen erst später.
Denn Gott wäre nicht Gott und der Teufel nicht er selbst, wenn alles einfach immer so glatt weiter gelaufen wäre. Vielleicht war Gott auch noch ein bisschen eingeschnappt wegen des zweiten EP-Titels oder hatte ein schlechtes Blatt und vielleicht steckte der Teufel mal wieder im Detail, jedenfalls wurde Universal umstrukturiert, ließ die Band unter den Tisch fallen und selbst das alte und wieder neu eingesprungene Vielklang-Label ging pleite. Als wenn der materielle und strukturelle Arschtritt nicht gereicht hätte, peinigte Gott oder der andere auch noch Sänger Guido und zockte Geiger Tobys Arm.
Der Rest der Band versuchte trotzdem, weiter tätig zu blieben, holte sich einen neuen Gitarristen und Sänger dazu, spielte eine Tour im Vorprogramm von „Extrabreit“, legte aber dann im Anschluss daran 2005 die Band auf Eis.
2006: Toby, zwar um einen Arm ärmer, aber sonst upgedated, verlegt sich auf Programming, Samples und Keyboards, Guido kommt zurück und Substyle wird nicht nur wiederbelebt, sondern auch mit den elektronischen Einflüssen noch facettenreicher. Ein neuer Schlagzeuger (Hendrik Hoinkis) komplettiert die Stammbesetzung, es werden ein paar Konzerte im Kölner Raum gespielt und man stellt fest, dass es immer noch rockt wie Sau.
2007: Die Arbeit an „Walk The Dino“ beginnt im bandeigenen (Heiwis) Studio, wird von Heiwi selbst produziert und man gründet das Label „Fire!Fire!Fire! Recordings“. Der zwischenzeitliche Sänger David Schlax kehrt als zweiter Gitarrist zurück und man wird noch lauter und perfekter.
2008: „Walk the Dino“ ist fertig, die Lage ist entspannt und die Welt, oder zumindest ein Teil davon, hat lang genug gewartet - Substyle's back!!!
Dagmar Schönleber