THE TOULOUSE - DAS FESTLAND SCHLÄGT ZURÜCK
Von der Insel schwappte es kräftig rüber in den letzten Jahren. Welle um Welle junger Brit-Pop-Bands, die in ihrem Ungestüm an rebellischere Zeiten der Musikgeschichte, an Bands wie The Who, The Rolling Stones und The Beatles erinnern, eroberten den europäischen Markt.
Zu einem Zeitpunkt, an dem man es fast schon als exotisch bezeichnen könnte, ein gutes Indie-Pop-Album ohne Cockney-, Liverpool- oder Manchester-Akzent untergeschoben zu bekommen, kommentiert dies Toulouse-Schlagzeuger Oskar Alpen mit folgenden Worten: „Man könnte unsere Musik auch als eine Art Gegenbewegung zur aktuellen britischen Bandflut bezeichnen. Man muss sich ja in Deutschland nicht unbedingt einschüchtern lassen von dem, was von der Insel kommt, sondern kann der Insel auch mal was zurückgeben.“
Und genau dieser Mission haben sich Sascha Niemann (Gesang), Marek Jamrozy (Gesang), Christian Lippert (Gitarre), Christopher Brandt (Bass) und Oskar Alpen (Schlagzeuger), die fünf Vollblutmusiker der Indie-Pop-Kapelle „The Toulouse“, verschrieben.
Das ambitionierte Quintett gehört zu den Vorreitern einer neu aufkeimenden deutschen Musiker-Bewegung, die sich dem hierzulande lange bestehenden Dogma, nur mit deutschsprachigen Texten Publikum und Plattendeals ziehen zu können, standhaft verweigert und damit endlich wieder frischen Wind in die bisher überwiegend monolingual geprägte Republik bringt.
Zählt Toulouse-Sänger Sascha Niemann dann die musikalischen Vorbilder der Band auf – die von der omnipotenten Musik-Ikone Beatles bis zu zeitgenössischeren britischen Größen wie Oasis und Blur reichen – wird schnell klar, dass für die Formation The Toulouse mit deutschen Texten nichts zu reißen ist: „Bei jedem von uns wurde die Jugend hauptsächlich von englischen Künstlern geprägt, aber wir gehen ja aufgrund unseres deutschen Backgrounds ganz anders mit der englischen Sprache um und lassen so mit ihr andere Bilder entstehen als ein Muttersprachler es tun würde“.
Und genau dadurch erhält der Toulouse-Sound seine Besonderheit. Die Band versucht nicht die musikalischen Helden ihrer Jugend zu kopieren, sondern deren Musik neu, auf der Basis ihrer eigenen kulturellen Herkunft, zu interpretieren.
Das Ergebnis sind melodisch verspielte Songs – von der Nummer „Spit on the bar“, deren mitreißender Beat selbst Tanz unfreudigen Naturen die Füße wegreißt, bis zu melancholischen Balladen wie „Don’t lay your love down on me“, die eine ganz andere, sanftere Seite der Band offenbaren.
Unterstützt wird die leichte Bipolarität des Debutalbums durch die Unterschiedlichkeit der zwei Toulouse-Leadsänger Marek Jamrozy und Sascha Niemann, die der Musik der Band ein interessantes „Dr.Jekyll and Mr.Hyde“-Image verleihen.
Dieser musikalische Dualismus spiegelt sich auch in ihren Songtexten wider, die sowohl von unerwiderter Liebe („Charlotte“) aber auch vom Flirt mit dem Verbotenem („Devil“) erzählen. Und in jedem Song, ob kraftvoll oder langsam, bricht sich immer wieder die Liebe der fünf Jungs zum gepflegten Gitarrenriff Bahn.
Dennoch lässt sich der musikalische Kosmos der Band nicht auf eine Dimension festnageln, sondern bedient sich einer stilistischen Unbekümmertheit, die auch den Einsatz von Discoelementen („Spit on the bar“) und hymnischem Pop-Pomp à la Arcade Fire („Hell“) nicht scheut.
Und genau diese Kombination aus jungenhafter Frische, die sich so völlig fern vom durchgedrogten Charme eines Pete Doherty ansiedelt, und durchweg dynamischem Song-Composing, das trotz perfekten Arrangements nie die nötige Spur von Authentizität vermissen lässt, macht die Stärke dieser fünfköpfigen Combo aus Berlin aus.
Alle durchweg einem musiklastigen Elternhaus entsprungen, lässt der Toulouse-Sound einfach mit jedem gut gespielten Akkord das Herzblut spüren, das jedes der Bandmitglieder in die Stücke ihres Debut-Albums investiert haben. Oder mit den Worten des Toulouse-Schlagzeugers Oskar Alpen ausgedrückt: „Uns geht es nicht ums große Geld. Wir wollen einfach noch mehr spielen; die Möglichkeit haben, eine zweite Platte zu produzieren und uns von dem, was wir machen, das Leben und ab und zu mal ne Tafel Schokolade leisten können.“
Die Tafel Schokolade sollte auf jeden Fall drin sein für The Toulouse.
Und angesichts der hohen Qualität ihres Debuts wäre es doch sehr verwunderlich, wenn das Leben nicht noch viel größere Belohnungen als ein schnödes Stück Kakaomasse für Toulouse bereithalten würde.