Der Quer-Flötist:Mit seinem Quartett spielt Oliver Roth zeitgenössischen Jazz, der
zwischen Action und Abstraktion, Anmut und Aggression oszilliert:
aufregende, andersartige, facettenreiche Musik, die in keine der
herkömmlichen Schubladen passt, Musik, die sowohl Emotionen weckt als auch die grauen Zellen im Oberstübchen ins Rotieren bringt, Musik, die den Aufbruchsgeist von bahnbrechenden Aufnahmen wie Ornette Colemans «The Shape of Jazz to Come», Jimmy Giuffres «Fusion», «Thesis» und «Free Fall» sowie Eric Dolphys «Out to Lunch» auf eigenständige und kreative Weise in die Gegenwart transportiert.Roth, der Klassik und Jazz studierte, ist ein Brückenbauer - ausgehend
von der Dringlichkeit und der Schwungkraft des Jazz, der klanglichen
Vielfalt der Neuen Musik und dem prozessualen Charakter der freien
Improvisation entwickelt er seine Stücke, die trotz ihrer formalen
Raffinesse viel Raum lassen für intuitives „Instant Composing“.Abgesehen von eingefleischten Neutönern wie Robert Dick oder Matthias Ziegler gibt es im Jazz so gut wie keine Musiker, die ausschliesslich flöten. Roth konzentriert sich nicht aus Bequemlichkeit auf die Flöte, vielmehr verzichtet er ganz bewusst auf instrumentale Verzettelung. So ist es ihm möglich, konsequent an seinem (bereits imposanten) Sound zu arbeiten.Für sein Quartett hat Roth Musiker ausgewählt, die mehr wollen und
können, als wild entschlossen draufloszuspielen. Die Kompositionen
Roths, die z.T. auf der Destillation von Probeaufnahmen basieren,
orientieren sich nicht an konventionellen Song-Schemata und sind
dementsprechend auch kein Ausgangspunkt für einen Staffellauf der
Solisten: Sie sind ein Sprungbrett für gemeinsame Exkursionen und
setzen bei allen Beteiligten ein ausgeprägtes Sensorium für das
Zusammenführen von experimenteller Offenheit und struktureller
Schlüssigkeit voraus.Roth und der Pianist Reto Staub erschliessen sich seit einem Jahrzehnt
in der freien Improvisation neue Klangwelten und Interaktionsformen.
Den Bassisten Martin Wyss hat Roth in seine Band geholt, weil dieser
auch sehr souveraen mit dem Bogen umzugehen versteht. Mit seiner sehr differenzierten Laut-Leise-Dynamik und breiten Klangpalette ist Michi Stulz der ideale Schlagzeuger für eine Band, die trotz der traditionellen Besetzung einen weiten Bogen um das hierarchische Prinzip „Leader plus Rhythmusgruppe“ macht.(Text von Tom Gsteiger)
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