Wie schafft sich ein junger Kuenstler ein breites Publikum, ohne dabei
auf mediale Vermarktung oder andere Arten hinterhaeltiger Gehirnwaesche
zurueckgreifen zu koennen? Diese Frage muss sich jeder stellen, der mit
seiner Musik mehr beschallt wissen moechte, als die eigenen vier Waende
oder den VW Polo eines guten Freundes. Viele Rapper dieses Landes sind,
meistens ohne sich irgendwann einmal begegnet zu sein, mithilfe des
Internets unmittelbar vernetzt. Sie tauschen sich aus, arbeiten zusammen
oder steigen auf bestimmten Battle-Plattformen gegeneinander in den
virtuellen Ring.
Unzaehlige Amateure veroeffentlichen ihre Musik ueber das Internet, einige
mehr schlecht als recht, andere mit einem ueberirdisch erscheinenden
Talent gesegnet. Waehrend die weniger talentierten Gestalten dezent unter
den Tisch fallen, richte ich mein Augenmerk nun auf eine Person, deren
persoenlichen Werdegang ich im Laufe der Jahre miterleben durfte. Stets
dankbar für Kritik aller Art setzte er sich mit sich selbst und seiner
(unserer) Musik auseinander. Nach und nach schuf er ein beachtliches
Track-Repertoire; viele seiner Konkurrenten laesst er damit bereits sehr
alt aussehen. Und ein Ende ist nicht in Sicht.LIBRA, mit eigentlichem Namen Patrick Molkenthin, erblickte am
27.09.1983 das Licht der Welt. Seit seiner Jugend ist er dem Hiphop eng
verbunden, schon immer schaetzte er die Aussagekraft und Wortgewalt
dieser Musik. Passiv verfolgte er die deutsche Hiphop-Geschichte, die
allmaehlig ihren Kinderschuhen entwuchs und sich zunehmend etablierte.
Der Startschuss seiner aktiven Taetigkeit fiel im Frühjahr 2005, um genau
zu sein im Keller der Jugendherberge Bispingen. Betten machen, Teller
waschen und Laub harken, dies sind die zu erfüllenden, eintoenigen und
deprimierenden Arbeiten eines Zivildienstleistenden, und auch LIBRA
fuegte sich seinem Schicksal. Um nicht entnervt das Handtuch zu schmeißen
oder gar den assigen Vorgesetzten nach Leib und Leben zu trachten,
bedurfte es einer ausgleichenden Abendgestaltung. Er fand sein Ventil im
Rap; der "Wortfluzz" entstand. LIBRA und meine Wenigkeit, wir stylten
jeden Abend unter den miesesten Bedingungen, nachdem wir den lieben
langen oeden Tag mit Gedanken an Inhalte und Stylez verbracht hatten. Der
Stoff reichte aus für eine ganze EP.
Wie immer im Leben, irgendwann trennten sich die Wege, irgendwann wurden
andere Dinge wichtiger. Doch LIBRA hoerte einfach nicht mehr auf. Nach
und nach verbesserte er Equipment und Skills, trainierte sich durch
Online-Battles, und bewies mit seiner ersten Single-EP "Gleichgewicht"(2006) sein Können. Seitdem machte er kontinuierliche
Fortschritte. Mit Tracks wie "Nur 1 mal", "Sag es mir ins Gesicht" oder
"Ich hole ihn raus ft. Kevnox" entkitzelte er seinen Zuhoerern positive
Resonanzen. Feedback ist für ihn wie Treibstoff, es ermutigt ihn - sei
es durch Lob oder Tadel - immer weiter zu machen und sein Niveau staendig
zu steigern. Dabei zeigt sich eine seiner bemerkenswertesten
Eigenschaften am Mic: die Vielfalt. Macht er noch heute einen Track zum
Kuscheln mit der Freundin, schmeißt er vielleicht schon morgen wieder
mit Punchlines um sich. Neuerdings geht auch einiges in Richtung
"Gesang". Einige Hooks entstammen seiner eigenen Kehle. Vieles ist von
professionellen Studioaufnahmen kaum noch zu unterscheiden.LIBRA hat sein Publikum gefunden. Und es begeistert ihn, wenn Leute
seine Musik hoeren, egal wann, egal wo. Moeglichst viele aufmerksame
Ohren, mehr möchte er gar nicht erreichen. Es lohnt sich, zuzuhoeren. Und
wie gesagt, ein Ende ist wohl nicht in Sicht. "Ich mach den Scheiß, bis
meine Stimmbaender versagen!" das ist der Ehrgeiz, der ein Hobby zur
Liebe macht.In Erinnerung an die alten Tage und in Vorfreude auf alles Kommende,2cheezy!
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