About Me
Der Überblick über die Hamburger Musiklandschaft gleicht einem Stadtplan. Für den Touristen zeichnet sich ein anscheinend genaues Bild der Stadt und führt vorbei an längst veralteten Rapheroen im Endzeitstatus. Die Hansestadt erstrahlt schon viel zu lange im seichten Großstadtflair. Das wahre Leben aber spielt in den Straßen, die dir kein Touristenführer zeigt. Die Rede ist von den Straßen, in denen die Nationen vielfarbig sind, aber der Alltag grau ist. Gemeint sind die Viertel, die von Arbeitslosigkeit und Kriminalität geprägt sind und in denen der tägliche Struggle seine wahre Bedeutung erfährt.
In eben dieser Perspektivlosigkeit der Spanischen Furt von Hamburg-Schnelsen aufgewachsen, lässt sich erahnen, dass der Weg des heute 24jährigen MC Sadri nicht immer gradlinig verlief. Wenngleich mit 14 Jahren schon die ersten musikalischen Gehversuche in Form der eigenen Crew D.T.C. entstanden, sollte es noch eine ganze Weile dauern bevor die Prioritäten eindeutig zu Lasten der Musik verschoben wurden. Bis dahin war die Straße der goldene Marktplatz, auf dem vertickt und verdient wurde. Wie folgenschwer dieses Business allerdings enden kann, erfuhr Sadri 2003, nachdem er wegen Drogenbesitzes angeklagt und ein halbes Jahr in U-Haft verbringen musste.
"Es war so gesehen der Wendepunkt in meinem Leben." Eine Erfahrung, die in der Einsicht mündet, die kleinen Dinge im Leben schätzen gelernt zu haben. Auf den allseits beliebten Promoeffekt des inszenierten Gangsta-Rappers kann er dabei lächelnd verzichten.
Klischees waren schließlich schon immer dazu da, sie zu widerlegen. Denn eine harte Schule und kriminelle Vergangenheit formen noch keinen guten MC.
"Ein echter Gangster hat gar keine Zeit, seine Rapskills nach vorne zu bringen. Genauso wie ein Rapper kein Gangster sein kann." Auch reicht es nicht allein aus, in einer Gegend aufgewachsen zu sein, in denen an bestimmten Tagen der Ausnahmezustand herrscht und dem gedanklichen Vorbild der Bronx in nichts nachsteht. Vielmehr bedarf es des nötigen Talents, um Tracks zu schaffen, die genau das reflektieren, was auf den Straßen passiert.
Nach dem Abitur, das er kurz nach der Entlassung aus der U-Haft am Gymnasium St. Pauli erfolgreich besteht, gilt es eben dieses Talent auch unter Beweis zu stellen. Nun ist Zeit für die eigene Musik, die noch im gleichen Jahr ihr Debüt in einer Produktion mit dem Titel "Das Chamäleon" findet. Die sich daran anschließenden Radio- und Bühnenauftritte ebnen den Weg für weitere erfolgreiche Underground-Veröffentlichungen und Produzententätigkeiten. Bevor allerdings Zeilen wie „einst hieß es für mich Knast, jetzt Sadri, Party und Backspin“ geschrieben werden, vergehen drei Jahre Bewährung. Aus dem anfänglichen Hobby wird in dieser Zeit ein ernstzunehmender Job.
"Der auserwählte Herrscher" als die wörtliche Übersetzung seines Namens stellt selbstbewusst heraus, was Hamburg bisher fehlte. Dabei geht es nicht darum, zu zeigen, wie hart die Stadt an der Elbe ist und sein kann, sondern vielmehr darum mit der Musik ein reales Bild zu zeichnen. Ein Spiegelbild der Straße, dass nur der darstellen kann, der von dort stammt. "Rap war und ist schon immer ein Spiegel meines Lebens."
Das wird mit dem 2005 veröffentlichten Album, das den passenden Titel „Von der Straße für die Straße“ trägt, gelungen manifestiert. Die im darauf folgenden Jahr neu aufgelegte Online-Version konnte weit mehr als 25 000 Downloads verzeichnen.
Allein die Street-Edition verkaufte bis heute mehr Einheiten als manch ein Independentlabel mit großem Promoaufwand. Authentizität ist nach wie vor ein überzeugendes Verkaufsargument. In eben diese Kategorie reiht sich auch die anschließende Singleveröffentlichung „Meine Stadt“ ein. Als ein ehrlicher und persönlicher Blick auf die Hansestadt stößt der Track überall auf positive Stimmen.
Sadris Ziele sind dagegen weniger eng gesteckt und gehen weit über die lokalen Grenzen hinaus. „Ich nehm Hamburg, Berlin, Deutschland in nur einer Nacht“ legt die Reichweite der musikalischen Übernahme treffend fest. Trotzdem bleibt der Fokus immer auch auf die eigene Stadt gerichtet und zeigt sich nicht zuletzt in einer Zusammenarbeit mit dem Kulturpalast Billstedt. Dort leitet Sadri seit Anfang 2006 einen Rapworkshop, der von den Kids begeistert angenommen wird. Das Konzept geht auf. Er ist schließlich einer von ihnen und weiß, wovon er redet.
Was Juelz Santana schon lange mit dem Statement „You all ain`t Gangstas“ auf den Punkt gebracht hat, sollte spätestens jetzt auch in Deutschland richtig gestellt werden. Hamburgs Bild von Rap ins rechte Licht zu rücken, ist damit Ziel des noch in diesem Jahr erscheinenden Albums. Sadri erweist sich einmal mehr als ein Künstler, der nicht erst auf die nächste Aufforderung wartet, sondern sie sich einfach selbst schreibt. Denn "Hamburg ist ein großes Haifischbecken. Jeder kämpft hier ums Überleben und denkt nur daran seinen Arsch zu retten."
Klingt hart, ehrlich und realistisch zugleich - wie die Sprache der Straße.
Eigene Releases:
"Von der Straße - für die Straße" (Streetalbum, 12.06.2006)
Kostenloser Download auf www.von-der-strasse-fuer-die-strasse.de