Wenn Youssou N'Dour, der berühmte senegalesische Sänger, in seinem Nachtclub Thiossane auftritt, geht ein Raunen der Erregung durch Dakar. Die Friseure erfinden spektakuläre Kreationen, mit denen man aus der Masse herausstechen kann, die Modesalons sind ausgebucht, um den Damen kostbare Roben anzumessen, und die Taxifahrer haben voll getankt: Während der ganzen Nacht wird es ein Kommen und Gehen geben, ein Hitzeschub der erotischen Exaltation, ein Defilee der Eitelkeit und der großzügigen Verschwendung. Alles für Youssou N'Dour, den Demi-Gott des senegalesischen Partylebens, Präzeptor der Internet-Generation, Entrepreneur im Dienste des Volkes, der mit seinen Musikunternehmen und Medienprojekten Arbeitsplätze und Wohlwollen schafft.
Youssou N'dour
Seine Karriere ist typisch für die Begegnung zwischen "Erster" und "Dritter" Welt im Zeichen der Musik. Immer wieder versuchen die wenigen verbliebenen internationalen Plattenkonzerne, exotische "flavours" aus aller Welt für den Massengeschmack herzurichten ( Seven Seconds, dem bislang einzigen Welterfolg des Sängers). Doch der Crossover - Erfolg blieb aus, Youssou N'Dour musste in der Kommerzliga eine Klasse absteigen. Seit der Plattenboss Chris Blackwell in den frühen siebziger Jahren mit Bob Marley den ersten "Dritte" Welt Superstar schuf, ist Crossover ein Zauberwort. Einen zweiten Bob Marley zu finden wurde zur Obsession der Plattenfirmen.
So wie viele afrikanische KünstlerInnen arbeitete Youssou N'dour seit er in den achtziger Jahren von Peter Gabriel "entdeckt" und gefördert wurde, zweigleisig: Der senegalesische Markt wird mit dem "puren Stoff" bedient, für die Jet-Set-Ausflüge in die globalen Hitparaden entwickelte der Künstler mit Hilfe von Rockproduzenten und GastmusikerInnen eine Art "Mbalax light", der noch genügend Exotica enthält, um als Stimme des anderen erkennbar zu bleiben, dem westlichen Publikum aber keine fremde Ästhetik aufzwingt.
In Dakar selbst wird diese Wandlungsfähigkeit misstrauisch beobachtet. Intellektuelle und Journalisten sprachen von endgültigem Ausverkauf , und riefen zum Boykott von Joko (die CD mit Nummern von Peter Gabriel ) auf. Auf Ba Tay, Youssoun N'Dours neuestem Tonträger, ist Mbalax pur und unverschnitten zu hören - die Atmosphäre des Thiossane zum transportablen Klangpaket geschnürt - wie die Tama- und Sabar-Trommeln kippen in jenen komplex verschachtelten, holprigen Rhythmus, der westliche Ohren vor unlösbare Rätsel stellt: Mbalax. Ein enigmatischer Code, der nicht entschlüsselt werden kann, eine Metapher für Bewegungslust jenseits der europäischen Diskothekennormen.
YOUSSOU N'DOUR - LIVE A BERCY 2005
Musikhören nimmt im senegalesischen Alltag eine zentrale Stellung ein. Ob aus dem eigenen Taschenradio, dem Walkman oder aus einer der zahlreichen Boutiquen am Straßenrand, die aktuellen Hits der senegalesischen Popmusik sind in den Strassen Senegals allgegenwärtig. Das Spektrum der Melodien reicht von den Rhythmen der Kapverdischen Inseln (Funana) über den populären Mbalax, die traditionelle Kora-Musik bis hin zu religiös geprägten Melodien .Unauffällig vermischen sich Musikstiele aus anderen Kulturkreisen mit denen aus dem Senegal. Salsa- Mbalax (Salsa Stars de Dakar) und Mbalax-Rap (Dara J oder Rapper Joe) sind sehr populär Wie jedes Land hat natürlich auch Senegal seine grossen Musikidole. Die Spitze an Popularität haben die Sänger Yousou N'Dour und Omar Pene erreicht.
Die Identifikation der Jugendlichen mit ihren Idolen ging bis vor einigen Jahren soweit, dass es handfeste Auseinandersetzungen zwischen den jeweiligen Fangruppen gab. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen entschärften Omar Pene und Youssou N'Dour die aufgeheizte Stimmung durch ein symbolträchtiges gemeinsames Konzert - euleuk sibir / ab jetzt gemeinsam - das auf einer sehr erfolgreichen Kassette mitgeschnitten wurde. Natürlich gibt es viele weitere Musiker und Musikerinnen, und jedes Mal, wenn eine neue Kassette herausgegeben wird, bilden sich bei den Verkaufsstellen lange Schlangen um das begehrte Stück als erster zu erhalten. Es hat sich im Senegal eingebürgert, dass die bekannten Stars zweimal pro Jahr eine Kassette herausgeben. Meist zu den Sommerferien und zum Jahresende. Die Kassetten kosten etwa € 2,50 und sind begehrte Sammlerstücke. Ältere Kassetten sind auf dem freien Markt kaum mehr zu erhalten. In den letzen Jahren ist es vermehrt üblich geworden, eine senegalesische Fassung und eine "europäisierte" Version (ist oft sehr stark an das europäische Ohr angepasst) herauszugeben. Letztere Version wird im Senegal kaum beachtet.
Natürlich werden auch CDs veröffentlicht. Die enthaltenden Stücke wurden häufig neu abgemischt und der europäischen Zielgruppe angepasst. Bei CDs älteren Erscheinungsdatums wurde diese Anpassung aber oftmals nicht vorgenommen. Kassetten kann man fast überall kaufen, CDs gibt es meist nur in Dakar. Aber fliegende Händler bieten mittlerweile CDs statt Kassetten an, am besten kauft man auf dem Marche Sandaga, entweder in einer der zahlreichen Boutiquen oder direkt bei Studio 2000. An der Ecke Avenue George Pompidou gibt es auch einen großen CD-Laden, die Preise hier sind allerdings sehr hoch etwa € 20,00.