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"Ich wollte ein Zeichen setzen"
Ole Junge erklärt, warum er seine Biografie fälschte, um bei DSDS mitmachen zu könnenHerr Junge, Sie haben sich als 29-jähriger arbeitsloser Koch bei Deutschland sucht den Superstar beworben. Rausgeflogen sind Sie, weil Sie 37 und Musical-Profi sind. Was war die Begründung?Sie haben mich disqualifiziert, weil ich über 30 bin. Vorher haben sie mich schön auflaufen lassen. Um von den Top-50, die ich erreicht hatte, in die Top-20 zu kommen, musste ich mit zwei anderen Bewerbern, die überhaupt nicht singen konnten, einen Song erarbeiten. Wir kamen morgens um zwei Uhr im Hotel an und haben bis um sechs geprobt. Ich wusste gleich, dass das nichts wird.Default Banner Werbung
Glauben Sie, das DSDS-Team hat Sie absichtlich mit ihnen zusammen gesteckt?Ja. Ich habe die Gesangs-Coaches angesprochen, die uns unterstützen sollten, aber sie haben kaum reagiert. Auf der Bühne am nächsten Morgen hat Dieter Bohlen uns sofort unterbrochen. Ich bin gar nicht richtig zum Singen gekommen. Er hat uns fertig gemacht. Nachdem die Jury fünf Stunden beraten hatte, hat Bohlen auf der Bühne die Katze aus dem Sack gelassen. Er hat mir gesagt, wie mies er das findet, dass ich gelogen habe. Er wusste es schon längst.In den DSDS-Weblogs im Internet war zu lesen, dass Sie einige Fans als Bühnenkünstler haben. Was hat Sie bewogen, sich für so eine Trash-Show zu bewerben?Es ist fast unmöglich, als Künstler in Deutschland bekannt zu werden. Der Markt sehr eng. Ich wollte DSDS als Plattform nutzen. Aber im Rückblick muss ich sagen, dass die Sendung eine einzige Werbeveranstaltung für Bohlen ist. Er hat es uns auch gesagt: Ihr könnt noch so gut sein, ich entscheide, wer weiterkommt.Aber warum haben Sie Ihre Angaben gefälscht? War doch klar, dass es heraus kommt. Oder hat RTL Ihnen Geld dafür geboten?Nein. Ich wollte mit dieser Notlüge ein Zeichen setzen. Talent und Können haben mit dem Alter wenig zu tun. Es gibt viele Leute wie mich, die Ihr Leben lang hart arbeiten und wirklich etwas können, aber das interessiert niemanden. Ich wollte DSDS dazu nutzen, wirklich etwas voranzubringen. Aber jemanden, der es drauf hat, würde Bohlen nie neben sich ertragen. Das ist mir klar geworden.Sie haben auf RTL gesagt, Ihr Vater käme aus der Karibik und Ihre Mutter aus Weißrussland. Stimmt das? Und wie sind Sie zum Musical gekommen?Das mit meinen Eltern stimmt, mein Vater ist aus Trinidad. Mit 17 fing ich an zu steppen. Meine Lehrer sagten, ich hätte Talent und nach wenigen Monaten stand ich schon im Staatstheater Braunschweig auf der Bühne. Dann sah ich den Film White Nights mit dem Balletttänzer Mikhail Baryshnikov und dem Stepptänzer Gregory Hines. Der Film hat mich dazu inspiriert, Musical-Darsteller zu werden. Und mit 19 habe ich den Bundesgesangswettbewerb gewonnen. So hat alles angefangen.In den Sendungen sehen die Zuschauer immer nur sorgfältig zusammengezimmerte Häppchen der Castings. Wie geht es hinter den Kulissen wirklich zu?Ein Stichwort ist Gehirnwäsche. Vor den Castings haben wir bis zu sechs Stunden bei minus sechs Grad gewartet. Um in die Top-50 zu gelangen mussten wir drei bis vier Stunden auf der Bühne stehen. Wir durften noch nicht mal zur Toilette. Neben mir hat einer in die Hose gemacht. So geht das bei echten Auditions nicht zu. Es geht nicht um Qualität. Die wollen jemanden, der zu allem "ja" sagt.Gibt es Proben vor dem richtigen Auftritt vor der Jury oder ist alles live gefilmt?Es gibt mehrere Proben. Alles ist minutiös durchgeplant. Nach meinem Rausschmiss etwa hat das Kamerateam mich gefragt, ob ich es nicht unfair fände, dass ich mich jünger gemacht habe. Als ich sagte, das wird im Pop-Business laufend so gemacht, haben sie sofort das Interview abgebrochen.Wie oft haben Sie Bohlen und die übrige Jury gesehen?In den Pausen recht oft. Aber die waren viel distanzierter als sie auf der Bühne wirken. Man merkt, dass alles eiskalt kalkuliert ist.Haben Sie das Gefühl, dass die Dinger, die Bohlen ablässt, schon vorbereitet sind, oder fliegen ihm die Entgleisungen zu?Das ist vorbereitet. Bohlen kriegt eine Liste von den Coaches, die die Kandidaten vorab durchleuchten. Er hat dann genug Zeit sich zu überlegen, was er wie sagen wird.Hat Ihr Auftritt bei DSDS Ihrer Karriere geschadet?Nein. Ich bin ein selbstständiger Künstler und habe in meinem Leben schon genug gute Kritiken bekommen. Ich weiß, was ich kann.Was wünschen Sie Bohlen für die Zukunft?Er und RTL verdienen richtig gut an der Show. Es wäre toll, wenn Bohlen mit einem Teil des Geldes sich wirklich für Künstler einsetzen würde. Aber dazu ist er wahrscheinlich doch zu egozentrisch.Interview: Natalie Soondrum/Frankfurter Rundschau
16.02.2008