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HARDCORESCHMALZ VOM RANDE DER STADT

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Weiße Rosen, rote Fahnen
Stimmgewitter Augustin - die klangliche Komponente der Wiener Straßenzeitung Augustin - lässt bühnenerprobteste Chöre bieder aussehen. AugustinverkäuferInnen distribuieren die Scheibe namens „Kitsch & Revo“, bereits die zweite CD des Klangkörpers vom Rande der Stadt, in einer Dimension, die sich manche Profibands wünschen würden. Zwischen dem Stimmgewitter als Sozialaktion und dem Stimmgewitter als Kunstaktion sind alle Nuancen der Interpretation genauso richtig wie falsch. Die SängerInnen kommen aus dem Sozialen, drängen ins Kulturelle und kassieren dort Appläuse, die leiser wären, wenn dem Publikum die Herkunft unbekannt wäre. Müsste man für dieses Hin-und-her zwischen Scheinwerfer und Notschlafstelle eine graphische Entsprechung finden, käme eine Arabeske in Betracht. Das Etikett Clochard-Klangkörper, das der Augustin selber gelegentlich verwendet, ist sozialromantisch gesprochen und wahr zugleich. Als der Chor – damals verwendete man eher die bescheidenere Definition „Gesangsverein“ – von den Augustin-Subcommandantes Riki Parzer (Ressort: Sozialarbeit) und Mario Lang (Ressort: Fotografie) zusammengebastelt wurde, lebten die meisten Mitglieder auf der Straße oder in Obdachlosenasylen. Zwei davon gehörten der unter Augustin-Leuten hoch angesehenen Gattung der „Insulaner“ an. Sie übernachteten auch den Winter hindurch auf der Donauinsel. Drei von der Stammpartie sind nicht mehr dabei. Kaum jemand im Publikum ahnte, welche Ruinen ihre Körper waren, die sie – diszipliniert wie die Wiener Sängerknaben – von Gig zu Gig auf die Bühne schleppten. Die starben vor der Zeit an den gesundheitlichen Folgen ihres Straßenlebens.
Ungeheuer viel unterschiedliche Musik auf einem Tonträger.
Ein Triumph ist auch die neue, zweite CD des Stimmgewitter Augustin, die unter dem Titel „Kitsch & Revo“ 10 Lieder und einen Bonustrack versammelt. Der Triumph, Menschen und musikalische Ästhetiken zusammenzubringen, die so kaum zusammengedacht werden. So ungeheuer viel unterschiedliche Musik auf einem Tonträger. Vom HipHop der Linzer Texta bis zur Kernforschung in Sachen Wiener Musik des Duos Soyka & Stirner, vom Entertainer Kantine zum unermüdlichen Messenger der musikalischen Leidenschaft, Fritz Ostermayer, von der Gitarrenband Ja Panik bis zu Sofa Surfer/Slow Club/I-Wolf Musik-Innovator Wolfgang Schlögl, wirft da nicht nur die Frage auf, wie denn nur ein Silberling das überhaupt alles zu fassen vermag. Gleichzeitig ist das Entstehen dieser CD ein Beispiel dafür, wie im besten Fall das „System Musik“ funktionieren kann. Wie schon im Zuge der Arbeit an der ersten CD die Grundlagen für diese zweite gelegt wurden, durch die Idee, verschiedenste Musiker mit Aufnahmen des Chores ganz frei das Ihre machen zu lassen. Aufnahmeleiter David Müller, der mit seiner Formation Die Strottern das Stück „La Paloma Ade“ adaptiert hat, bringt es auf den Punkt: „Wie sie singen, dass sie das 1:1 so bringen, wie sie es bringen, jeder einzelne, jede Stimme, da muss niemand irgend etwas beweisen, das hat so eine enorme Kraft.“ Gleichzeitig zieht er den Hut vor Gerald Hirsch, der mit Mario Lang als Sprachrohr die Chor-Arrangements erarbeitet hat. Fritz Ostermayer spricht von aufrichtiger Ehrfurcht vor dem Stimmgewitter und der großen Ehre, seinen Beitrag „Weiße Rosen aus Athen“, interpretiert „in the style of Stephan Remmler/Trio“ mit von ihm „verehrten Musikanten wie Schorsch Kamerun, Bernadette LaHengst oder I-Wolf“ auf einem Tonträger zu finden. Die wie selbstverständliche Teilnahme von Kamerun, der seit über zwei Jahrzehnten bei den unvergleichlichen Goldenen Zitronen singt und (quer)denkt, und Bernadette LaHengst, eine der frischesten und künstlerisch vitalsten feministischen Stimmen im Pop, ist ein Indiz dafür, dass sich das, was das Stimmgewitter Augustin ausmacht und besonders macht, über das lokale und regionale Umfeld hinaus mitteilt. Die durchgehende künstlerische Qualität der Beiträge auf „Kitsch & Revo“ unterstreicht eindrucksvoll, was auch die jüngsten Konzerte des Stimmgewitters zeigten: Das wird eben immer besser, immer heftiger! Die musikalische Selbstermächtigung und Stimmfindung hat sich längst verselbstständigt und ein Level erreicht, auf dem einem diese 9 wunderbaren Stimmen allerhand anhören lassen können, kontrovers, widersprüchlich, frei von einem eindeutigen Missverständnis von „schöner“ Musik, frei von Gefallsucht und Anbiederung.
Rainer Krispel / Robert Sommer

My Interests

Music:

Member Since: 9/30/2007
Band Website: stimmgewitter.org
Band Members: Ernstl, Hans, Heidi, Hömal, Klaus, Mario, Martin, Riki, Ossi
Influences: Freddy Quinn, Sex Pistols, Kollegium Kalksburg & viele mehr
Sounds Like:

Fotos: Tina Dermitzakis

Record Label: non food factory
Type of Label: Indie