MESSERKNECHT

Gut heißt nicht gleich gut besucht oder gar gut verkäuflich. MESSERKNECHT gehören zu den musikalisch aufregendsten Formationen des Punk/Hardcore/Metal Genres. Kennen tut sie deswegen aber noch lange keiner. Zu Unrecht, denn die vier Bremer schaffen, was heutzutage nur noch selten gelingt: Sie erschüttern. Der Bandsound ist aus dem Punk gewachsen, den alle vier Messerknechte irgendwann mehr oder minder wild gelebt haben. Die Hanseaten haben die Dynamik konserviert, die entsteht, wenn man einfach mit einer Scheißwut auf sein Instrument eindrischt. Weil aber in einem Jahrzehnt Musikerfahrung bei Bands wie „Acid Rain Dance“ oder „Jelly Phlegma“ zwangsläufig spieltechnisch einiges hängen blieb, ist der Sound komplexer. Stücke bestehen nicht nur aus Strophe und Refrain, sondern wirken teilweise gekonnt konstruiert. Mit einer Wand aus zwei Gitarren, die bisweilen Voivod-mäßige Dimensionen erreicht und einem Gesang, der eher an die alten „Amebix“ erinnert , reiht sich elegant ein Teil an den anderen und rast schnurgerade am Hörer vorbei. Daß die Stücke bei aller Komplexität fließen, dass sich MESSERKNECHT nicht im Gefrickel verstricken, belegt die Qualität dieser Formation. MESSERKNECHT suchen beständig nach eigenwilligen Lösungen auf dem Weg durch den Song. Die dem Schlagzeugbeat entgegengesetzten Gitarrenschläge sorgen für Dynamik, die von lang anhaltenden Akkordanschlägen ab- und aufgelöst werden. Das klingt, als ob Mitglieder von „Helmet“ und „No Means No“ zusammen soviel saufen, dass endlich mal der Kopf abgeschaltet und das Tier im Bauch rausgelassen wird. Im ewigen Wechselspiel zwischen Treiben und Schweben wirkt die Stimme erschütternt verloren, wird vom Strudel der Musik hin- und hergerissen, mitgeschleudert. In einer Zeit, wo jede große Plattenfirma ihre „progressive“ Musikabteilung hat, schaffen es MESSERKNECHT so noch immer gegen Konformität einen musikalischen Ausdruck zu setzen und wortlos ihre Wut auf die Enge der Normalität zu artikulieren. (taz 23.1.1997)