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Zwei Uhr Dreiig
zwei uhr dreiig. der fernseher luft noch. auf dem sessel davor sitzt ein alter mann, eingeschlafen ist er. er trgt noch die kleidung vom spaziergang. den hut, die jacke, die schuhe. durchnsst ist er von regen. draussen irgendwo ein klopfen. baustellenlrm ? um diese zeit ? hier ist alles mglich. der mann wacht pltzlich auf, er sprt die nasse kleidung auf seinem krper. "verdammt", denkt er, "schon wieder eingeschlafen". der mann lebt alleine in seiner wohnung. seit jahren schon. erschaut auf die uhr. zwei uhr dreiig. der fernseher luft noch. "gleich muss ich zur arbeit" murmelt er vor sich hin. "zeitungen ausfahren". er sucht nach abwechslung. ein neuer job vielleicht ? oder mal in urlaub fahren. ja, urlaub. in den sden wre schn. oder in die berge. im winter. wenn schnee liegt. der mann zieht sich an. neue, trockene kleider. und einen regenmantel darber. den hut nicht vergessen. warm um den kopf muss man haben. er packt die zeitungen in seinen wagen, den er vor sich her schiebt. er verlsst die wohnung und schaut noch einmal auf die uhr. zwei uhr dreiig. der fernseher luft noch.
Akuter Zeitsprung. Zwei Stunden spter. Schritte schallen durchs Treppenhaus. Ein Schlssel zwngt sich mit letzter Kraft ins Schlsselloch. Die Tr geht auf. Der alte Mann kommt von der Arbeit. Zeitungen austragen. Vier Uhr dreiig. Mit zitternden Hnden zieht er den Schlssel ab und schliet die Tr. Kalt ist es draussen gewesen. Bis zu zwei Grad minus haben sie im Wetterbericht gemeldet. Erschpft sinkt der Mann in seinen Sessel. Martha, warum hast du mir das angetan. Er schaut auf das Bild an der Wand. Darauf ist eine Frau abgebildet. Seine Frau. Sie ist tot. Seit Jahren schon. Lungenkrebs, vom vielen Rauchen. Martha, warum hast du mir das angetan. Rechts neben dem Sessel steht ein Tisch. Er greift nach der Whiskeyflasche, die auf dem Tisch steht. Praktischerweise seine Probleme in Alkohol ertrnkend. Vieles hat sich gendert seit dem Tod seiner Frau. Job verloren, arbeitslos, Sozialhilfe, Alkoholiker. Niemand htte gedacht dass es so schnell geht. Jetzt trgt er Zeitungen aus. Das Geld was der verdient ist zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel. Und da ist ja auch noch der Hund, der auch durchgebracht werden muss. Gefunden hat ihn der Mann. Vor zwei Jahren. Nachts beim Zeitungen austragen. Na mein kleiner, hast du kein zuhause ? Seitdem ist er stndiger Begleiter. Ohne den Hund htte der Mann seinem Leben wohl schon lange ein Ende bereitet. Wie oft hat er schon darber nachgedacht. Schlaftabletten. Oder den alten Strick aus der Garage. Fnf Uhr. Die Morgennachrichten. Wieder hat es ein Busunglck im Ausland gegeben. Seschsunddreiig Tote. Das ist der Lauf der Dinge, murmelt er vor sich hin. Aber ich habs gut. Ich war ja noch nie im Urlaub. Mir kann sowas nicht passieren. Fnf Uhr Zehn.
Der Fernseher schaltet sich ab. So hat ihn der Mann programmiert. Um Fnf Uhr zehn nach den Morgennachrichten. Der Mann geht ins Schlafzimmer. Erzieht sich den dunkelblau gestreiften Schlafanzug an. Der hat Martha immer so gut gefallen. Langsam sinkt er in den Schlaf. Gleicher Tag. Aber spter. 15 Uhr. Der Mann wacht auf. Wieder hat er zehn Stunden geschlafen. 10 Stunden voller schlechter Trume. Der Hund luft auch schon durch die Wohnung. Er zieht sich die Kleider vom Abend an. Die, die er anhatte beim Zeitung austragen. Er hat Hunger. Aber vorher erstmal den Tisch abrumen. In der Kche sieht es aus wie so oft. Leere Getrnkeflaschen neben dem Herd. Auf dem Tisch die Dose mit Hundefutter und die Pizza von gestern abend. Erst mal den Tisch aufrumen. Angerhrt hat er die Pizza kaum. Nur mal kurz probiert. Dann hat er sie aber doch stehenlassen. Jaja, der Magen. Pizza vertrgt er nicht so gut. Er geht zum Khlschrank. Er holt etwas Wurst und Brot heraus. Er mag Wurstbrote. Die mochte er schon immer. Schon als kleines Kind. Am liebsten mit Salami. Wurstbrote hat ihm Martha frher auch immer geschmiert. Frher, als er noch Arbeit hatte. Als Kranfahrer auf dem Bau. Der Hund kratzt an der Tr. Er will raus. Ist ja gut mein kleiner. Der Mann legt sein Brot auf den Teller und bindet den Hund an die Leine. Komm, sagt er zu seinem Hund, wir gehen mal eine Runde. Er geht raus vor die Tr. Die Leute starren ihn an. Sie starren wie immer. Was kann ich dafr, dass ich so bin schreit er in seiner ganzen Wut einen vorbeigehenden Fugnger an. Sie starren ihn an wegen der Narbe im Gesicht. Verbrannt hat er sich als kleines Kind. Er stand am Herd und hat den Topf mit dem heissen Wasser runtergerissen. Seither ist er fr sein Leben gezeichnet. Einfach hatte er es noch nie.
Dunkel ist es draussen geworden. Die Wolken am Himmel haben sich zusammengezogen. Komm Max, sagt er zu seinem Hund, wir gehen nach Hause. Kurz bevor es anfngt zu regnen, erreicht der Mann seine Wohnung. Er geht ins Wohnzimmer und kramt ein altes Fotoalbum aus dem Schrank hervor. Fotos seiner Kindheit sind da drin. Sechs Geschwister waren sie. Der Vater bei der Post, die Mutter war Nherin. Er schaut sich das Bild an. Aber sein Vater ist nicht mit drauf. Er starb, als Manfred 13 Jahre alt war. Er war der lteste der sechs Kinder und musste sich um alle anderen kmmern. Eine Jugend hatte er nicht. Zu schnell musste er erwachsen werden. Er schliesst das Fotoalbum. Trnen fliessen ber sein Gesicht. Das erste mal seit vielen Jahren. Heute ist wieder so ein Tag, wo alles ber ihm zusammengebrochen ist. Die ganze Welt scheint auf seinen Schultern zu lasten. Ach Max sthnt er und streichelt den Hund. Wieder der Griff zur Whiskeyflasche. Die Lsung all seiner Probleme. Nein, heute geht es ihm wirklich nicht gut. Schon wieder ist die Flasche leer, doch er hat kaum noch Geld fr neuen Stoff. Dabei ist der Monat noch nicht einmal zu Ende.
Auf dem Friedhof war er schon lnger nicht mehr. Im moment kmmert sich Marthas Schwester um das Grab. Blumen giessen und so. Er kann es einfach nicht im Moment. Schon damals, als sein Vater starb, fiel es ihm schwer ans Grab zu gehen. Einge ganze Weilehats gedauert bis er hinging. Dann ging es immer besser mit der Zeit. Neue Kerzen mssten auch mal wieder hin. Er schaut auf die Uhr. Kurz vor acht. Gleich kommen die Abendnachrichten. Aber schauen will er sich nicht. Es ist doch sowieso jeden Tag das selbe. Mord. Unflle. Gewalt. Polititker, die ihre Versprechen nicht halten. Davon hat er genug. Den Wetterbericht wird er schauen. Vielleicht auch bald mal die alten Filme, die er damals mit seiner Kamera gemacht hat. Damals, als Martha noch lebte. Den Fil von ihrem fnfzigsten Geburtsta. Achtzig Leute waren da. Eine grosse Feier war es. Sie hatten damals sogar extra ein Lokal gemietet. Gerne erinnert sich Manfred an die alten Zeiten zurck. Ach wenn sie doch nur hier wre, sagt er und streichelt dem Hund dabei bers Fell.