"1968 stellte man sich die Frage, ob die Revolution Musik
braucht. Die umgekehrte Frage, ob die Musik eine Revolution braucht,
stellte man leider nicht. Die Frage, ob die Revolution Musik braucht,
wurde irrtümlich mit ja beantwortet. Man exhumierte die Kampflieder der
Arbeiterbewegung, man exhumierte den Eisler, gerade in Berlin – aber
nicht seine Kunstmusik, sondern seine mißverständlich für politisch
gehaltenen Werke, die eigentlich die unpolitischsten sind. Die Arbeiter
waren da etwas klüger. Sie dachten nicht daran, diese Kampflieder zu
singen. Aus der Revolution ist natürlich auch nichts geworden, mit oder
ohne Musik. Es war schon eine Tragödie. Heute wissen wir, daß es für die
internationale Arbeiterklasse die letzte Gelegenheit gewesen wäre, die
Betriebe zu übernehmen, und damit sich nicht nur von der Lohnarbeit zu
emanzipieren, sondern von der Arbeit überhaupt, die ja technologisch
immer überflüssiger wird. Der Zeitpunkt ist verpaßt. Die Arbeiter werden
abgeschafft. Sie können schon deshalb keine Revolution mehr machen, weil
es sie nicht mehr gibt. Die Perspektiven sind ein für allemal vertan,
und es zeigt sich, daß in dem politischen Dilemma, das da entstanden
ist, alles sinnlos zu werden beginnt, einschließlich der Künste –
einschließlich des Privatlebens ist alles nur noch just for fun.
Daß die Musik eine Waffe im Klassenkampf sein könnte, das ist wohl
einfach nicht wahr. Den Klassenkampf mit Musik führen zu wollen, ist die
absurdeste Strategie, die man sich vorstellen konnte. Das ist politisch
ebenso gescheitert wie musikalisch. Das gesellschaftliche Ergebnis war
ja leider, daß die Unterhaltungsindustrie salonfähig gemacht wurde von
den 68ern. Das ist schließlich dabei herausgekommen. Die Musik, mit der
die Industrie das Volk verdummte, wurde fehlinterpretiert als die
gärende Musik der revolutionären Unterklasse."
(Heinz-Klaus Metzger)