Misanthropic Humanist

Die Sorge um die Zukunft drückt letztlich die zu erwartende Gegenwart des Todes aus, ist der Tod doch die letzte Zukunft und das Futur des Futurs. Die Sorge um die geheimnisvolle Unergründlichkeit übersetzt letztlich die abwesende und unsichtbare Anwesenheit des Todes, ist der Tod doch das in unserem Innersten am tiefsten verborgene Geheimnis. Die Angst der Gegenwart heisst Zukunft; die Angst des Heute heisst morgen, und die Angst des morgigen Tages heisst übermorgen. Die Angst der Ängste aber, die exponierte Angst, die man Verängstigung nennen könnte, die diffuse letzte Angst also, heisst Tod. Und da diese Angst die am weitesten entfernte ist, liegt sie auch tiefer als alle anderen, denn sie befindet sich auf dem Grund der Tiefe. Sie ist also in beiden Dimensionen zugleich, in Raum und Zeit, die Angst der Ängste. Die beiden Dimensionen sind übrigens eng voneinander abhängig: denn gerade weil der Tod die in der Zeit am weitesten entfernt liegende Zukunft ist, ist er das am tiefsten vergrabene Geheimnis. Geheimnis und Zukunft sind die unterschwellige, uneingestandene und unausgesprochene Hypothek, die die Anwesenheit der Gegenwart und die Gegenwart der Anwesenheit untergräbt. Jedenfalls sind die Unsichtbarkeit, die radikale Abwesenheit und die Nicht-Existenz des Todes inmitten eines positiven Lebens kein Grund, das Problem als ein Pseudoproblem zu verleumden. Im Gegenteil, ebenso wie die Zeit, die ja auch ein Ungreifbares ist, ist das Nichtsein des Todes ein philosophischer Gegenstand par excellence.- Vladimir Jankélévitch