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"Tränen lügen nicht- making of"
Tarééc "Tränen lügen nicht" (ersguterjunge)
Tarééc feat. Chakuza - Für das Volk
Tarééc
„Du machst verdammt coole Musik. In diese Richtung würde ich auch gerne gehen.“ Zwei Sätze, die nicht viel bedeuten, außer sie stammen von einem der erfolgreichsten Künstler der letzten Jahre – Justin Timberlake. Was aber hat der mit dem deutschen Sänger Tarééc zu tun? Immer der Reihe nach.
Die Geschichte beginnt in einem Juli der 80er Jahre im Berliner Stadtteil Neukölln. Tarééc wohnt mit seiner arabischen Großfamilie, die aus dem Libanon und Palästina nach Deutschland auswandern musste, in einer kleinen 2-Zimmer-Wohnung und träumt von einer besseren Welt. Für sich. Für seine Freunde. Für seine Familie. „Meine Träume waren damals alles, was ich hatte,“ erinnert sich Tarééc. „Wir hatten kein Geld, kaum etwas zu essen und keine Perspektive. Diese Erfahrungen haben mich gelehrt, was es bedeutet, am Leben zu sein und die Musik hat mir geholfen, meine Alltagssorgen zu vergessen. Wenigstens für einen Moment.“ So zog Tarééc durch die Straßen von Berlin, im Walkman lief der Soul von Michael Jackson, R. Kelly und Jodeci, und schwor sich, es seinen Vorbildern gleich zu tun. „Ich musste es einfach versuchen. Es war meine einzige Chance aus der Armut.“
Tarééc begann, seine ersten eigenen Texte zu schreiben und sie den Kumpels aus dem Fußballverein vorzusingen. Es folgten Auftritte auf Schulfeiern und Straßenfesten und Tarééc bekam einen kleinen Eindruck davon, wie sein späteres Leben aussehen könnte. Dabei war er gerade erst 13 Jahre alt. Geprägt vom R&B der frühen 1990er Jahre, gründete Tarééc seine erste Band „Da Corner“ und sang sich auf den Straßen Berlins sprichwörtlich die Seele aus dem Leib.
Der erste Durchbruch gelang ihm 1996, als er während des Talentwettbewerbs „Blonds Talent Award“ entdeckt wurde und tatsächlich einen Plattenvertrag bekam. „Damals bedeutete das ja noch etwas,“ sagt Tarééc. „Da gab es noch kein Internet, Youtube oder Myspace.“ Über Nacht schien Taréécs großer Wunsch also tatsächlich in Erfüllung zu gehen: er wurde Mitglied bei „The Boyz“, einer der ersten deutschen Boybands überhaupt. Neben Tarééc sang übrigens auch ein gewisser Adel Tawil in der Band, der heute mit Annette Humpe das Duo „Ich + Ich“ bildet.
„The Boyz“ nahmen zwei Alben auf, gingen auf große Welttournee, erhielten mehrere Goldene Schallplatten und wurden nicht nur in Deutschland als große Stars gefeiert. „Es war eine unglaubliche Zeit,“ so Tarééc. „Ich lebte endlich meinen Traum. Wir wohnten in den teuersten Hotels, hatten einen eigenen Limousinenservice und bekamen alle Wünsche von den Augen abgelesen.“
Während der Aftershow-Party einer TV-Show kam es schließlich zu dem Treffen zwischen Justin Timberlake und Tarééc. „N'Sync hatten gerade ihre zweite Single auf dem Markt, die in den USA total floppte, in Deutschland aber auf Platz 3 war. Unsere Single war ebenfalls in den Top Ten. Justin und ich unterhielten uns von Musiker zu Musiker und er machte mir Komplimente zu unserem Style. Wir waren auf einem Level. Das gibt es doch außer bei Tokio Hotel heute gar nicht mehr.“
Tarééc hatte es scheinbar geschafft. Er sah sich schon der Bedeutung seines arabischen Namens, als neuer „Stern“ des internationalen Pophimmels, alle Ehre machend. Doch dann zerplatzte der Traum genau so schnell, wie er gekommen war. Die musikalischen Erfolge blieben aus, einstige Weggefährten wendeten sich ab und auf einmal fiel Tarééc auf, dass er auch finanziell übers Ohr gehauen wurde. Im Jahr 2000 löste sich die Band auf. „Aus meinem Traum wurde ein Albtraum. Ich musste mich wieder mit dem echten Leben auseinander setzen, was mir nach meiner Seifenblasenzeit im Musikbusiness sehr schwer fiel,“ sagt Tarééc. „Diese Oberflächlichkeit hat mich zuerst blind und dann krank gemacht. Als alles vorbei war, waren es nicht so sehr das Geld oder der Ruhm, was mir fehlte. Ich fühlte mich nutzlos, ohne Anerkennung. Das war das schlimmste. Ich wollte mit meiner Musik etwas bewegen, doch das konnte ich jetzt nicht mehr.“
Tarééc kehrte in sein altes Leben zurück und fiel in ein riesiges, mentales Loch. Nach kurzer Zeit war alles Geld aufgebraucht und der Teufelskreis nahm seinen Lauf. „Ich arbeitete fortan als Tellerwäscher oder Lagerarbeiter, schuftete auf dem Bau und lieferte Pizza aus. Ich war am Boden zerstört. Was ich heute als ehrenvolle Arbeit betrachte, war mir damals peinlich. Hoffentlich sieht mich keiner, dachte ich immer. In meiner Wahrnehmung war ich immer noch ein Popstar und kein Arbeiter, der 6 Euro die Stunde verdient.“
Um der Realität zu entfliehen, fing Tarééc an zu spielen. „Zuerst einmal die Woche, dann dreimal, am Ende täglich. Ich verzockte im Casino alles, was mir noch blieb. Alles!“ Tarééc erkannte, dass er Hilfe benötigte und begann eine Therapie, die ihn langsam ins normale Leben zurückführte. Seine Gedanken sortierten sich wieder und Tarééc fing an, seine Erlebnisse aufzuschreiben. So entstanden über die letzten Jahre hinweg unzählige Songs, von denen die besten demnächst auf dem ersten Solo-Album des Berliner Musikers veröffentlicht werden.
Die erste Single „Für das Volk“ feierte letzte Woche die TV-Premiere auf MTVs TRL Urban, wo das Video von den Zuschauern direkt auf Platz 3 gewählt wurde, und das, obwohl die Nummer gesellschaftskritischer nicht sein könnte. In der heutigen Zeit, die von inhaltsleeren Castingshows und Trash-TV dominiert wird, eine absolute Ausnahme! „Ich möchte die Missstände anklagen, die ich in Deutschland sehe,“ sagt Tarééc. Dazu erzählt er eine Geschichte, die er selbst erlebt hat. „Als 14-jähriger Junge spielte ich mit meiner Mannschaft des türkischen Fußballvereins „Agrispor“ gegen einen deutschen Club. Doch statt gegeneinander Fußball zu spielen, kam es zu einer Massenschlägerei, bei der ich ziemlich übel zugerichtet wurde. Als wir versuchten zu flüchten, wurden wir sogar mit Gaspistolen beschossen. Ich möchte den Leuten mit „Für das Volk“ einfach nur die Augen öffnen, das so etwas immer noch passiert.
Unterstützung bekommt Tarééc in dem Video nicht nur vom ersguterjunge-Rapper Chakuza, der den Song mit seinem Feature bereichert, sondern auch von Bushido, Kay One, Bizzy Montana, DJ Stickle, Oliver Petzokat und seinem ehemaligen Weggefährten Adel Tawil von „Ich + Ich“.
„Das ist meine letzte Chance,“ weiß Tarééc, „und ich werde alles dafür tun, sie auch zu nutzen.“ Das Album „Hoffnung“ ist für Frühjahr 2009 geplant.