About Me
Hey folks,
this is the first unofficial myspace page dedicated to the legendary FRONT club in Hamburg. Pls note, that this page is not related to the so called "Remember-Night of FRONT".
Pls check out the picture gallery which is open for further memorabilia and memories! :^)
Willi Prange & Phillip Clarke R.I.P.
"Tanz House" Acid House Special / Tele 5 TV on Dec.8, 1988 with 2 minutes about the FRONT! (Special thanx to Frank and Jürgen!)
Klaus Stockhausen in a chic Querelle outfit dancing and "keyboarding" on the left as "fake" member of "Boytronic" in 1984. Track: Diamonds And Loving Arms (by the way, the Maxi Version of this track is named "Special FRONT-Mix") Source: Formel Eins with Peter Illmann.
"Hamburg meine Perle"
Written by Finn Johannsen for Groove Magazine Nov.Dec.2006
"Das gängige Club-Koordinatensystem in Hamburg Mitte der 80er bewegte sich irgendwo zwischen Mod-Kultur und Northern Soul sowie Post-Punk und Wave in Läden wie dem Kir und Disco-Poppertum im Trinity, Voilà oder Stairways. Welcher Hafen angelaufen wurde, entschied sich meistens danach, ob der Schwerpunkt der Planung auf Musik bzw. Tanzen, Mädchen oder Saufen gelegt werden sollte. Diese Komponenten kamen zwar manchmal auch an einem Ort befriedigend zusammen, aber in der Hansestadt wurde schon immer bei ersten Anzeichen von diesbezüglichen Ungleichgewichten der Standort verlagert. DJs mixten in der Regel nicht und die Musik war oft ziemlich durcheinander und demnach war man es auch gewohnt, nur hier und da zu tanzen und den Rest der Nacht anderweitig auszufüllen.
Etwas ab vom Schuss, Nähe Berliner Tor, gab es dann noch das Front, das Willi Prange 1983 eröffnet hatte. Der Stamm-DJ dort war ab 1984 der Kölner Klaus Stockhausen, der ebenso wie andere DJs in der Stadt eine Mischung aus Boogie, Synthpop, Electro, Hi-Energy und Italo auflegte. Dennoch hatte das Front im Rest der Stadt schnell diesen speziellen Status. Das lag einerseits sicherlich daran, dass das Publikum dem Vernehmen nach fast ausschließlich schwul war und sich nicht groß darum kümmerte, sich jedes Wochenende so abseits von Kiez oder Alster zusammenzufinden. Andererseits lag das aber auch vor allem an Stockhausen, der seinen Kollegen in vielerlei Hinsicht weit voraus war.
Von seinen besonderen Fertigkeiten als DJ erfuhr zuerst ich von einem meiner besten Freunde, der ein klein wenig älter war und schon ab 84 regelmäßig hinfuhr. Dort kaufte er Stockhausen irgendwann einen Schwung Live-Mitschnitte auf Kassette ab, für ganz schön gutes Geld, der Mann wusste eben was er wert war. Als ich die Tapes zum ersten Mal hörte, war ich ziemlich baff. Ich hatte ein langjähriges Faible für alle Arten von tanzbarer Musik, aber was man damit im Mix anstellen konnte war mir eher fremd. Ich erkannte Teile meiner Plattensammlung wieder, aber irgendwie klangen die anders, energetischer und aufregender. Es liefen viele instrumentale Versionen, versetzt mit Soundeffekten, Scratches und Acapellas. Verschiedene Platten liefen minutenlang zusammen, oder Teile davon nur wenige Sekunden. Die meiste Zeit konnte ich die Stücke gar nicht auseinanderhalten. Ich hatte keinen Schimmer, wie man so was hinbekommt. Die Musik-Auswahl war dabei durchweg geschmackssicher und abenteuerlustig zugleich. Live muss das der Hammer sein, dachte ich.
Tatsächlich waren die Nächte im Front zu dieser Zeit schon ziemlich ausgelassen, doch richtig Fahrt kam ab Ende 85 auf, als bei Tractor und später Rocco und Container Records die ersten House-Importe eintrafen. Ich bekam House erst mit, als „Jack Your Body“ und „Love Can't Turn Around“ 1986 plötzlich Hits wurden, aber es gefiel mir auf Anhieb. Es erschien wie die perfekte Synthese von allen möglichen Club-Stilen, war aber gleichzeitig total primitiv und direkt. Eine verheißungsvolle Variante in der Chronologie von Disco sozusagen. Im Front wurde House nach Ohrenzeugen vom Fleck weg vereinnahmt, es gab zwar nicht viele Platten zu kaufen, aber was verfügbar war, wurde auch gespielt. Die europäische Clublandschaft ist sicherlich zu diffus und weitläufig, um wirklich exakt die historischen Initialzündungen zu benennen, aber wenn man sich mit der entsprechenden Geschichtsschreibung in anderen Ländern befasst, war Hamburg verdammt früh dran, ohne davon viel Aufhebens zu machen. Die regelmäßigen Wochenendgäste aus England schienen sich jedenfalls mit voller Absicht zum Tanzen in die touristisch unterentwickelte Gegend am Heidenkampsweg zu verirren.
Das erste Mal dass ich tatsächlich ein Teil der schrägen Schlange wurde, die sich zeitig vor den Stiegen abwärts sammelte, war Anfang 87. Ich war fast volljährig und etwas angespannt. Die coolen Typen um mich herum schienen es kaum abwarten zu können, von dem mürrischen Kerl mit dem Schnauzbart durchgewunken zu werden, der die Tür zu dem Keller verwaltete. Das Publikum bestand zur stolzen Mehrheit aus schönen Jungs in glammigen Outfits und halbnackt-muskulösen Lederkerls, und es war zahlreich erschienen und schrie sich auf der Tanzfläche bereits geschlossen die Seele aus dem Leib. Der Club an sich war absolut unglamourös. Karg war noch untertrieben. Die Wände waren nackt bis auf ein paar Notausgangschilder, auf denen ab und zu „Danger“ aufblinkte und gelegentliche Diaprojektionen mit Worthülsen wie „I mean...is he...“ oder „...and suddenly...“. Die Tanzfläche war gesäumt von niedrigen Podesten mit Geländer, die einen bei der niedrigen Decke noch näher an die fiesen Horn-Hochtöner brachten, Bestandteile einer Anlage, die nicht unbedingt gut war, aber sehr effektiv und vor allem sehr laut.
Die Lightshow bestand lediglich aus verschiedenfarbigen Neonröhren, die sich über der ganzen Tanzfläche erstreckten und in unnachvollziehbaren Intervallen ins Dunkel blitzten. Und im Gegensatz zu anderen Hamburger Clubs war es sehr dunkel, gepaart mit einem ungemein stickigen Dunst von mehr oder weniger nackten Körpern und Poppers, der stetig von der Decke tropfte und als dichter Nebelschwall über die Belüftung direkt neben den Eingang wieder auf die Straße zurückgeleitet wurde, als sollte er wie der Rauch bei der Papstfindung der Außenwelt künden, was für eine Stufe des Exzesses dieses Wochenende gemeinsam erreicht wurde.
Man kam eher zum Tanzen als zum Posen ins Front, auch wenn man bei Bedarf beides gleichzeitig konnte, und ließ sich von der wummernden Pracht von links nach rechts schicken. Die Stimmung war physisch und bis zum Anschlag sexuell aufgeladen. Die Front Kids hatten ihren Tempel eingerichtet und huldigten dem Hedonismus mit bedingungsloser Loyalität. Alles war egal, solange es Spaß machte. Wenn man sich überhaupt von der Tanzfläche entfernen wollte, waren die einzigen Ablenkungen eine Theke mit ein paar Bänken ein Gewölbe tiefer, deren Zapfanlage unter Gejohle von mitfeiernden Barleuten zum Beat bearbeitet wurden, die nicht selten im Torerokostüm den Dienst antraten, ferner notorische Toiletten mit äußerst regem Verkehr und deaktivierter Geschlechtertrennung sowie ein Flipper, der nie funktionierte.
Der ganze Überschwang hatte souveräne Methode, die von einem DJ-Bereich gesteuert wurde, der sich in einem wesentlichen Punkt von anderen unterschied; man konnte den DJ nicht sehen. Die Kanzel war eine erhöhte dunkle Box, die von der Tanzfläche aus durch eine Tür zugänglich war, der DJ schaute durch zwei winzige Schießscharten heraus und war selbst nur schemenhaft zu erkennen. Das hatte durchaus den Effekt, dass man sich auf die Musik konzentrierte bzw. dass die Musik teilweise wie aus einer anderen Welt herübergesendet kam, obwohl man sich natürlich sehr wohl bewusst war, dass der zuständige Zeremonienmeister etwas Besonderes war, was denn auch mit viel Geschrei auf dem Floor honoriert wurde.
Eine konsequente Absage an die fortschreitende Personifizierung des DJs, aufgrund derer Stockhausen schließlich 91 für immer die Kopfhörer für eine ebenso erfolgreiche Karriere als Moderedakteur bekannter Lifestylemagazine niederlegte. Wie er aussah wusste ich erst Jahre später dank einer Fotostrecke in einem Stadtmagazin, es war auch nicht wichtig. Gleiches galt auch für seinen überaus talentierten Nachfolger Boris Dlugosch, der ab 1986 Stockhausens Protegé war und nach dessen Rückzug den Taktstock übernahm und ebenso stilprägend die nächste Ära des Clubs dirigierte und weitere DJs wie Michael Braune, Michi Lange, Sören Schnakenberg und Merve Japes. Promis wurden vermehrt gesichtet, aber kaum beachtet. Diese Rahmenbedingungen sollten sich für die nächsten Jahre nur unwesentlich ändern. Es gab Rituale wie den Laster von einer Quadrophonie-Testplatte, der bei gelöschtem Licht durch den Raum knatterte und meistens die Schlussphase mit einem Rückblick auf Disco-Klassiker einläutete, die allerdings auf dem Front-Soundsystem klangen, als wären sie in einem Kugelblitz wiedergeboren worden. Es gab diverse zügellose und Spezialveranstaltungen mit wechselndem Motto und den jährlichen Geburtstagsrausch, bei dem immer noch eine Schippe draufgelegt wurde. Unvergessen dabei der Auftritt eines unbescholtenen Straßenmusikers, der anlässlich des ersten Golfkriegsausbruchs von der Einkaufsmeile wegengagiert wurde und dann nervös vor dem ekstatischen Auditorium „Give Peace A Chance“ klampfte.
Bei der Entwicklung von House und allen daraus resultierenden Stilarten war das Front in den folgenden Jahren eine unerbittliche Messlatte. Zuerst kam die Acid-Phase, die auch über andere Neueröffnungen wie das Opera House, Shag oder das Shangri-La die ganze Stadt eroberte, und Detroit Techno wurde in der ersten Welle herzlich umarmt. Ausflüge in Clubs anderer Städte zu dieser Zeit vermochten im Vergleich nicht so recht zu überzeugen, man freute sich bereits auf das nächste Heimspiel. Ab 89 kamen die New Yorker Hybriden aus Techno und House der Marke Nu Groove und Strictly Rhythm dazu, und man verneigte sich gelegentlich vor den Post-Acid-Entwicklungen der Insel, Bleeps etwa, oder Shut Up And Dance und 4 Hero, damals noch Breakbeat Techno genannt.
Als Techno sich ab 91 mehr und mehr über Härte definierte, besann man sich im Front jedoch auf die hauseigene Tradition des Groove und überließ das Geheize Läden wie dem ersten Unit. Die Anteile von Garage und Deep House wurden unter der Ägide von Dlugosch quasi über Nacht nach vorne gemischt, ohne dass die unbeschwerte Dynamik auf dem Floor Einbußen erlitt, der Rausch klang nur etwas anders. Das Front verband Schub mit Stil und hatte seine Jünger bestens mit House erzogen und so wurde aus Hamburg, im Vergleich zu anderen Metropolen, nie eine Technostadt.
Der Club wurde in der Face, im I-D und in der Tempo als Weltklasse bestaunt und war auch mit Dlugosch mindestens auf Augenhöhe mit Clubs der reinen Lehre in den USA oder England und in Kontinentaleuropa lange Jahre praktisch konkurrenzlos, was nicht zuletzt dadurch untermauert wurde, dass das Front auch sehr früh begann, die Heldengestalten aus Übersee zu buchen. DJ Pierre versagte Wild Pitch und machte das mit Acid trifft Garage wieder wett, Mike Hitman Wilson versagte einfach völlig, Frankie Knuckles legte ein Handtuch um und eine Flasche Cognac und Tischventilator vor sich und breitete das große Gefühl aus, die Murk Boys waren gegenseitige Liebe auf den ersten Blick und Derrick May wollte gar nicht mehr aufhören.
Diese ersten Gäste vermittelten aber auch Einblicke in andere Szenen, was immer mehr Clubgänger interessierte und die Konkurrenz in der eigenen Stadt nahm zu und bediente sich beim Standard des Front. Die schwule Basis fühlte sich mehr und mehr von Neugierigen bedrängt und die Faces der ersten Generation zogen sich langsam zurück, der Geist der Pionierzeit verlor auch in der Musik an Strahlkraft und selbst die Nachttanke um die Ecke war plötzlich nicht mehr da.
Dennoch empfand ich es wie viele als Privileg, speziell an diesem Ort live zu hören wie sich das Haus erbaute, in dem wir heute noch allesamt wohnen. Nur lief die Chose irgendwann von ganz allein und an anderen Orten und ich ging ab 94 immer sporadischer hin, bis mich dann 97 die Nachricht von der Abschiedsparty wachrüttelte. Ich zog es vor, es in Erinnerung zu behalten wie es zu besten Zeiten war und bin nicht hingegangen. Das Inventar wurde später, einer echten Clublegende angemessen, wie Reliquien meistbietend versteigert.
Das perfekte Souvenir hatte ich aber ohnehin schon, es ziert noch immer meine Zimmertür: das Schild von der Damentoilette, mysteriöserweise eines Sonntagmittags auf meinem T-Shirt klebend, als ich in voller Montur auf dem Fußboden eines Kumpels aufwachte. Gute Zeiten. Klaus Stockhausen ist immer noch der beste DJ, den ich jemals gehört habe und die Intensität des Clubs bleibt für mich selbst minus sentimentaler Verklärung unübertroffen. Es hat mich tief geprägt. Wenn ich von Berlin nach Hamburg hineinfahre werfe ich jedes Mal einen verstohlenen Blick auf das Leder-Schüler-Gebäude und habe Musik im Kopf. This used to be my playground."
Mit besonderem Dank an Walter Fasshauer, Patrick Lazhar und Frank Ilgener.
Written by Gerd Janson for ouk Magazine Oct.Nov.2002
KLAUS STOCKHAUSEN
„Kennst du Klaus Stockhausen?“ „Klar, das ist doch dieser leicht durchgedrehte Komponist und Elektronikpionier, der letztes Jahr durch seine Äußerungen zum 11. September mal wieder stärker in das Licht des öffentlichen Interesses gerückt ist.“ So oder so ähnlich kann man sich die geführten Konversationen vorstellen, deren Ziel es war, etwas über Klaus Stockhausen zu erfahren. Nein, Klaus Stockhausen hat mit Karlheinz Stockhausen nichts zu tun - zumindest auf musikalischer Ebene. Der hier zu verhandelnde Stockhausen ist eher der Exponent schlechthin einer längst in Vergessenheit geratenen und in der vorhandenen DJ-Literatur äußerst ungenügend behandelten Diskotheken-Ära in Deutschland. Genauer gesagt war Klaus Stockhausen der erste DJ im Hamburger Front, das in späteren Jahren mit dem Namen Boris Dlugosch verknüpft sein sollte. Als solcher verstand er es eine ähnlich enge Beziehung zwischen Publikum, Musik und der Person des Discjockeys herzustellen, wie es in den 1990er Jahren wohl einem Sven Väth in dessen Omen in Frankfurt gelang. Selbst die älteren Semester unter den DJs wußten nichts genaues über den DJ Stockhausen zu erzählen, außer, daß er wohl der Ziehvater von Boris Dlugosch und ein Meister seines Fachs gewesen sein soll. Einzig und allein Hans Nieswandt konnte sich rühmen, ihn wahrhaftig hinter den Rädern aus Stahl in dem Kellerclub am Berliner Tor erlebt zu haben und wußte, daß er auch irgendetwas mit Mode zu tun hatte. Genaues über den Verbleib des Mannes konnte er jedoch auch nicht sagen. Das Interesse war jedenfalls genährt und zwei Mixtapes und die zufällige Lektüre einer Illustrierten später, wußte man mehr: Klaus Stockhausen ist heutzutage der Moderedakteur von „Max“, schreibt dort eine Kolumne namens „Stockhausen“ und arbeitet als Stylist für Style & The Family Tunes, Dior oder solch klingende Namen wie Naomi Campbell. Dementsprechend ist er auch chronisch viel beschäftigt, weilt oft für längere Zeit im Ausland und ist ziemlich schwer an den Telefonapparat zu kriegen. Dennoch erweist Stockhausen sich als überaus kooperativ und witzig. Auf die telefonische Frage, wieso er denn bereits in den frühen Neunzigern den Kopfhörer an den Nagel gehängt habe, wo da doch der Hype und die hohen Gagen im Deejaying gerade erst einsetzten, hat er nur die trockene Antwort parat, daß „irgendwann jede Bratwurst ein DJ sein wollte.“ Eine Aussage, die auch heute noch einen überaus hohen Wahrheitsgehalt in sich birgt.
Sitzt man dem ehemaligen DJ mit seiner Armeehose, dem ärmelbefreiten T-Shirt und einem leicht militant anmutenden Haarschnitt dann persönlich gegenüber, wird schnell deutlich, daß er geradezu ein Meister des trockenen Humors ist. Aber den muß man wahrscheinlich entwickeln, wenn man seine DJ-Karriere in einer Kölner Bar mit besonderem Stammpublikum beginnt.
ouk: Du hast gesagt, daß du eigentlich aus Bonn stammst, dann aber irgendwann zwecks Studium nach Köln gezogen bist?
stockhausen: Ich hatte ehrlich gesagt zuvor Stress und bla, bla, bla mit den Eltern, der Klassiker eben. Und habe dann, um Geld zu verdienen, dreimal die Woche in so ..ner blöden Boutique gearbeitet. Dort gingen die ganzen Luden ein und aus, um da ihre komischen Seiden- und Versace-Hemden zu kaufen. Einer dieser Luden hatte eben so einen kleinen Club in der Altstadt, der Tavone hieß. Dieser Club war ganz schrecklich. Da gab es so eine Theke mit zwei Plattenspieler und ne Bar, wo die Luden ihre Whiskyflaschen gebunkert hatten. Eigentlich eklig, aber irgendwie auch cool. Irgendwann suchte er einen DJ. Ich habe mich dann da hingestellt und, ja, das hat Spaß gemacht.
ouk: War das damals nicht so, daß der Club auch die Platten gestellt hat? Sozusagen eine clubimmanente Audiothek.
stockhausen: Ja, genau. Ich bin aber auch shopping gegangen und kaufte mir die Sachen, von denen ich meinte, daß man sie unbedingt haben müßte, dann auch selbst dazu. So super viele 12inches gab es damals natürlich auch noch nicht.
ouk: Wann war das?
stockhausen: Warte mal, ich war 17. Das muß so 1977 gewesen sein.
ouk: Du warst zuvor nicht Bedroom-DJ oder so etwas ähnliches?
stockhausen: Nö. Ich war zwar immer an Musik interessiert, aber hatte niemals einen Plattenspieler oder Mischpult zuhause oder so etwas. Das kam mir gar nicht in die Tüte, das hatte alles mehr so einen ungezwungenen Spaßfaktor für mich. Dann wurde dieser Club auf einmal hip und es kamen immer mehr junge Leute. Aufgrund dessen haben mich die Leute vom „Coconut“ dann in ihren Club geholt.
ouk: Das Coconut war dann dein fester Club in Köln, bevor du nach Hamburg kamst?
stockhausen: Ja, aber ich bin zwei Jahre lang dreigleisig gefahren. Ich hab freitags und samstags in Frankfurt Musik gemacht. In einem Club, der hieß „No Name“, das war in so einem, wie heißt denn da noch mal diese U-Bahn Station?
ouk: Konstablerwache oder Hauptwache?
stockhausen: Hauptwache! Das „No Name“ wurde vor allem von den ganzen amerikanischen Jungs und Mädels besucht, die in Frankfurt auf der Base waren. Der Laden war zwar schwul, aber auch voll amerikanisch. Sonntags war ich dann wieder in Köln im „Coconut“, da war dieser Gay-Dance-Sunday-Schnuckelschnackel. Und montags in Amsterdam, in der Flora, aus dem später das It wurde. Ich bin da immer schick mit meinem Plattenkoffer im Zug hin- und hergefahren. Nachher fand man es dann noch schicker, als man ein wenig Geld zusammen hatte, das auch wieder zu verfliegen. In Frankfurt lief auch komplett andere Musik als in Köln. Man konnte sich die Leute damals noch erziehen. Und das war eben geil, wenn sie in Frankfurt zu Grace Jones ausgefreakt sind und in Köln zu Hi-NRG. Ab einem gewissen Punkt näherte sich das dann an und du konntest zur Hauptzeit „Pull up to the Pumper“ spielen und die Lederköniginnen, die normalerweise nur so (führt die Faust zur Nase) machen, sind ausgeflippt. Das war superspannend. Dieser Tea Dance in Köln war allerdings ein Hit. Wir haben um 17 Uhr aufgemacht und zwanzig Minuten später kam keiner mehr rein. Gut, der Laden war nicht wirklich groß, aber die Leute kamen von überall her. Die kamen aus Amsterdam und dann anscheinend wirklich aus Hamburg und Frankfurt. Warum? Frag mich. Wahrscheinlich weil die Tür super strikt war. Nur Männer, keine weiße Hosen, kein Turnschuhe. Für mich war das eigentlich ziemlich hart. Ich war damals mehr so der Popper und habe mich dann in einem Laden wiedergefunden, wo die auf der Tanzfläche weiß der Geier was auch immer veranstaltet haben. Trotzdem war das war ..ne echt gute Zeit. Ich glaube, heutzutage fährt kein Mensch mehr so weit, um irgendwo auszugehen.
Sehr spannend ist auch der weitere Verlauf der Geschichte. Nachdem in Frankfurt das No Name im Jahre 1980 schloß, eröffnete einige Zeit später einer der ehemaligen Besitzer das Construction Five. Als Klaus Stockhausen die Eröffnungsparty beschallen sollte, kam es zum Bruch mit Stockhausens Arbeitgebern in Köln. Trotz der räumlichen Distanz von Frankfurt und Köln und der Tatsache, daß das Coconut an diesem Tag ohnehin geschlossen war, wurde ihm sein Engagement am Main übel genommen. Als die Coconut-Crew schließlich auch noch in Frankfurt vor dem DJ-Pult stand, war das Clubdrama perfekt.
„Ein Freund von mir hat mich dann aufgesammelt und gesagt, daß wir erst mal ein Wochenende wegfahren. Nur wohin? In Amsterdam war ich ja jede Woche, also sind wird nach Hamburg gefahren. Das war mein erster Besuch in Hamburg. Wir sind dann abends in irgendeinen Laden gegangen, wo man uns erzählt hat, daß wir unbedingt ins "Front" müssen, das letzte Woche aufgemacht hätte und der Hit in Tüten sei. Als ich da rein kam, fiel der Besitzer vor mir auf die Knie und ich wußte überhaupt nicht, was Sache ist. Aber der ist wohl früher sonntags extra nach Köln gefahren, um ins Coconut zu gehen und hat sich bei mir auch Tapes gekauft, nur hatte ich den überhaupt nicht auf der Pfanne. Schwups wurde ich schon belabert...“
Allerdings sollte es noch ganze zwei Wochen dauern, bis Klaus Stockhausen endgültig einwilligte, und ein ganzes Jahr, bis er seinen festen Wohnsitz nach Hamburg verlagerte. Aus Amsterdam wollte er weg, weil die Menschen dort schon zum Frühstück vom reichhaltigen Drogenangebot der Stadt Gebrauch machten und so ein Verhalten irgendwann den stärksten Mann umhaut. Trotz seiner Liebe zum Coconut waren Hamburg und das Front und dessen (für die Zeit) minimalistischer Kellerstyle nicht zuletzt aufgrund der sich dort anbietenden Anonymität die verheißungsvolleren Alternativen.
„Erst mal fand ich es großartig, daß hier jeder meinen Namen kannte, aber keiner wußte, wie ich aussehe. Das habe ich geliebt. Das Front hatte als DJ-Booth quasi eine Tarnkabine. Da gab es nur zwei Bullaugen zum rausgucken. Das war genial. Eine leicht erhöhte Kanzel, die komplett geschlossen ist und bei der angeklopft werden mußte. Das war echt die Idealvorstellung eines Clubs. Man konnte die Leute auch absolut erziehen. Wenn ..ne Platte dann in irgendeiner Hitparade aufgetaucht ist, war sie out, zwar nicht zwanghaft, aber man konnte es sich leisten, weil man die Leute da wirklich, wirklich erziehen konnte.“
Eine Sache, die in Zeiten, in denen DJs im großen und ganzen wieder zu dem mutieren, was sie die meiste Zeit in unseren Breitengraden waren, nämlich reine Dienstleister, unvorstellbar ist. Lauscht man den Berichten eines Stockhausen über typische Nächte im Front, möchte man das fast als Anglerlatein abtun. Menschenschlangen von einigen hundert Metern vor der Tür, Themenpartys, deren Maximen gerne Themenbereiche von „Jackie O und Dr. No“ über „Hermes und Eurydike“ bis hin zu „Amazing Corpus Christi“ umfassten und ein DJ, der von 22 bis 6 Uhr allein die Nacht diktiert, hören sich im langweiligen Clubdeutschland 2002 einfach zu gut an, um wahr zu sein. Aufnahmen von DJ-Sets aus dem Front sprechen allerdings für sich. Klaus Stockhausen gelang ein scheinbar müheloser Mix aus uptempo Hip Hop, New Order, Preludeplatten wie Sharon Redds „Beat The Street“, Rockers Revenges „Walking On Sunshine“ und frühem Chicago-House von Farley „Jackmaster“ Funk und Konsorten. Fast nicht zu bemerkende Tempowechsel und „In Hamburg sagt man Tschüss“ als Schlussplatte bei 80% aller Abende inklusive, scheint das zu dreiviertel männliche Frontpublikum in der Tat zu einem Sound getanzt zu haben, den man so wohl nur noch in London und den Metropolen in Übersee serviert bekam. Obwohl Stockhausen mit den Clubs und DJs in diesen Städten erst Bekanntschaft machte, als er schon DJ war.
„Klar kannte ich Namen wie das Studio 54, Paradise Garage, Larry Levan, Tony Humphries und Frankie Knuckles, und natürlich habe ich Mixabende von WBLS gehört und fand das alles klasse. Ich war auch von dem, was in England passierte, sehr beeinflußt, aber irgendwie nicht von speziellen DJs. Damals waren eher Produzenten und Plattenlabels wichtig. West End und so. Da wußte man einfach, das funktioniert. Man konnte aber auch experimentierfreudig sein und Dinge wie Culture Club und Human League mit diesen Sachen zusammenbringen, die gar nichts damit zu tun hatten. Wenn du ganz cool warst, hast du mit 98 angefangen, aber sonst so 105, 106 und dann auf 112, 116 bis zu 124 hochgearbeitet. Hi-Nrg war 134 und damit war Schluß. Aber das war genau das, was mir, aber auch den Leuten, Spaß gemacht hat. Man wußte nie, was als nächstes passiert. Im Front wurde es 23.30 Uhr voll und ab 0 Uhr wackelte die Bude. Nicht hysterisch, sondern der ganze Laden schunkelte bis zum Höhepunkt. Ich hab es eben auch wirklich geliebt, volle Granate zu spielen und dann einen Cut zu machen und von vorne anzufangen. Vielleicht mit 100 bpm. Wenn du sie dann wieder hoch kriegst, weißt du, daß es funktioniert. Tja, andere Zeiten, andere Musik.“
Ein DJ hatte allerdings dann doch einen besonderen Einfluss auf Klaus Stockhausen. Nämlich der, den er das erste Mal wirklich mixen hörte.
„Ich hatte ein einziges Mixtape von WBLS und stand in diesem blöden Tavone, wo unter der Woche nur Luden rumhingen und hatte nix zu tun, außer mich mit meinen Platten zu beschäftigen. Dann war ich irgendwann, frag mich nicht wann und nicht wo, aber relativ früh, in Mailand in einem Club und der DJ hat mit einer Platte eine halbe Stunde rumgespielt und ich stand wie versteinert an einer Säule und dachte: ‚Was bist du für ein kleines Licht?’. Danach war es einfach nur eine Herausforderung, möglichst lange Platten konstant zusammen zu halten. Dann wollte man die „Beat the Streets“ dieser Welt mit den anderen vermischen. Meine Sets waren eigentlich, siehst du, ich hätte z.B. niemals meine Sets gesagt, weil ich gar nicht auf die Idee gekommen wäre. Das war alles sehr intuitiv bei mir. Ich habe da nicht geplant. Ich wußte zwar um die zehn Platten, die gerade funktionieren, aber ich fand es besser, jedes Mal anders anzufangen.“
So vergingen die 80er wie im Fluge und der Ruf, den sich Klaus Stockhausen in seinem Kölner Coconut erworben hatte, wuchs im Front weiter. Die Jahre 1983 und 84 verbrachte er mit einem Zusatzengagement als Keyboard-Statist bei dem One-Hit-Wonder Boytronic, das eigentlich ein Ein-Mann-Betrieb war. Da aber gerade die Hochzeiten von Alphaville angebrochen waren, forderte die Plattenfirma ein Trio. Die Wahl fiel auf Stockhausen, weil der Boytronic-Chef Stammgast im Front war. Eingebracht hat es ihm neben einem Auftritt in der Formel-Eins-Fernsehsendung, in der er seine Finger asynchron zum Playback über die Tasten wandern ließ und die seine Mutter begeistert aufzeichnete, die Erkenntnis, daß er lieber hinter als vor der Kamera steht.
House und Acid-House wurden immer populärer und Klaus Stockhausen war einfach der DJ about town, dem sich Boris Dlugosch mit einem Tape in der Hand schüchtern vorstellte und stundenlang beim Auflegen zusah. Dann brachen die Neunziger und mit ihnen das bereits erwähnte Bratwurst-Phänomen an. Stockhausen, der des öfteren Modeschauen beschallte und bei einer solchen für einen erkrankten Stylisten einsprang, hatte sich bereits in der Modeszene einen Namen gemacht und verlor zusehends das Interesse am Deejaying. Sein DJ-Stundenplan war von fünf Tagen in der Woche auf zwei am Wochenende zusammengeschrumpft.
„Irgendwann hat man auch alles gesehen. Und eben dadurch, daß alle DJs ständig woanders und überall auflegen, müssen sie alle süß spielen. Das ist so austauschbar geworden. Ich hab das ja auch durch Boris mitgekriegt. Als ich aufgehört habe, war das so die Zeit, wo man sich entscheiden mußte, ob man dieses „heute hier, morgen da“ mitmacht, produziert oder nur noch bumm, bumm, bumm macht. Aber ich hatte ja schon ein kleines Standbein in einer anderen Ecke. Das war mir einfach zu anstrengend. Ich habe das zweimal gemacht und einmal war es der totale Flop, weil du wirklich in so ne Kleinstadt gedonnert wirst. Da wirst du dann als the hot shit angekündigt und klar verstehen die überhaupt gar nichts, außer den Top Five und ihrem Local-DJ, der die schon seit drei Jahren beschallt. Das war ganz, ganz anstrengend. Klar das gab es Kohle und bla, bla, bla, aber für mich war das nichts. Hamburg war echt so ein House-Zentrum und ich fand es überflüssig, in Kassel oder Karlsruhe aufzulegen. Wie gesagt, ich habe so etwas ja zweimal gemacht, aber empfand es als müßig und eigentlich auch spießig. So geht es mir aber auch mit großen Leuten, die aus dem Ausland hier herkommen. Die könne die Leute hier ja nicht erziehen und die Erwartungshaltung ist vom Publikum super groß. Aber die kennen ihre zwanzig Stampfer und das war es dann. Wenn was anderes passiert, sind die gleich verwirrt und wenn dann noch drei blöde Muschis sagen, daß sie das jetzt alles gerade ganz Scheiße finden, dann war es das und es kommt keine Stimmung auf.“
Ein übriges taten die verstärkt auftretenden Klassifizierungs- und Abgrenzungsbestrebungen im Musikbereich
„Dann wurden mir schließlich auch diese ganzen Schubladenaktionen zu viel. In den DJ-Charts der Stadtzeitungen wurdest du damit ständig konfrontiert. Mit Dub, Trip Hop bla, bla, bla, ich weiß gar nicht mehr, was es damals alles war. Ob es jetzt Hi-Nrg, Handbag oder Disco-Dance war. WTF, its either nice or not. Das fand ich genauso anstrengend wie das Vorhaben, dringend auch die Vororte in Aufruhr bringen. Wenn die was wollen, sollen sie kommen. Nur so kannst du den Leuten Musikverständnis anerziehen. Dann rollte ja auch diese Technowelle los und war mir einfach zu billig. Nach einer Stunde Waschmaschinenmusik höre ich eben gerne eine Stimme - und wenn es nur ein Schrei ist. Mein Basis ist dann doch halt eher so Motown und Soul. Damit bin ich aufgewachsen. Auf der anderen Seite mochte ich Bowie, Cockney Rebel, Roxy Music. Deshalb liebe ich bis heute Vocals. Ich hab halt mit "And the Beat Goes On" und "Ain’t No Stoppin Us Now" und diesem Scheiß angefangen aufzulegen.“
Das prägt. Auch wenn Stockhausen die Zeit und die Erfahrungen, die er als DJ gemacht hat, nicht missen möchte („Es war eine tolle Zeit. Ich hab auch nie viele Drogen genommen oder getrunken. Mir ging es gut. Ich habe lange geschlafen, mich nachmittags mit Freunden getroffen. Es war super. Ausgebrannt war ich nur nach Gastspielen im Nirgendwo. Zwar ein anderer Lebensstil, aber zur richtigen Zeit.“), konnte er es sich im Alter von 32 Jahren und nach fünfzehn Jahren als DJ nur schwerlich vorstellen, daß er mal als Disco-Opa endet. So veranstaltete er seine Abschiedsparty „Terror bei Neumann“ zusammen mit Dlugosch in einem Hamburger Pornokino namens „New Man“, weil er schon immer mal eine Party in einem solchen Etablissement machen wollte. 1991 war das und auch wenn bei ihm hier und da eine fast kindliche Begeisterung für das Thema durchschimmert, so ist es für ihn ziemlich unvorstellbar, jemals wieder den Weg hinter die Plattenspieler zu finden - Dior und Naomi Campbell sind ja auch nicht das schlechteste aller Schicksale. Zahlreiche Angebote zwecks Wiederbelebung seiner alten Profession, wenn auch nur für eine Nacht, hat er bisher nicht nur aufgrund des wohl zu erwartenden Hypes abgelehnt. Einen solchen würde er nämlich als ungerechtfertig und unangenehm empfinden. Auch seinen Skills als DJ vertraut er nach den ins Land gegangen Jahren nicht mehr hundertprozentig.
„Ich weiß nicht, ob ich es noch könnte. Vielleicht ist es wie Fahrradfahren, was man mir immer sagt, aber wenn man Ewigkeiten nicht gefahren ist und die Beine bandagiert hatte, muß man es wohl wieder lernen.
Letztens war ich in Paris und der DJ war so schlecht, daß ich ihn von der Kanzel stoßen wollte. Manchmal hat man noch so ein Gefühl oder so einen Drang. Wehmütig ist allerdings das falsche Wort. Auch auf dieser Schiffs-Party letztens ging es mir so. Da war es eigentlich ganz cool, wenn nur nicht diese ständige Waschmaschinenmusik gewesen wäre. Es gab dreimal Situationen, da hatte ich schon vier Liedverse auf der Zunge. Keine Ahnung, ob es nur mir so ging, aber ich schwör dir, das Schiff wäre explodiert. Es lohnt sich heute gar nicht mehr zu tanzen: wenn du auf der Tanzfläche bist, mußt du schon wieder zurück, weil die Musik so scheiße ist. Einen kleinen Club könnte man wohl aber immer noch puschen, der dürfte jedoch nicht mehr als 250 Leute haben. Dann kann man auch wieder erzieherisch tätig werden. Die müssen ja auch ein bißchen was lernen auf der Tanzfläche, oder?
Janson
Special thanx to Gerd Janson!
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Source: BILD Zeitung Dec.13, 1996
"Boris announces to leave the FRONT :^(
Long live Michi Lange :^)"
Hamburger Morgenpost Feb.17, 1997 - The last night at FRONT :^(
(Special thanx to David for the scan.)