Schlager über Schlager
Just als anfangs der 80er Jahre die Neue Deutsche Welle (NDW) ins Brackige überzuschwappen begann, traten Mythen in Tüten mit ihren stets leicht doppelbödig bzw. vordergründig respektive ikonoklastisch (sic!) gegen den Strich gebürsteten »Schlagern über Schlagern« auf den Plan. Das thematische Repertoire des Quintetts um die mimetischen Avantgarde-Eklektizisten Emilio Winschetti, einem genetisch verändertem Schweden, und dem kleinbürgerlichen Gerngroß Lutz Worat reichte vom Lob der keuschen Liebe unter Berücksichtigung kommunikatorischer Redundanzphänomene (»Südstadt-Spatz«) bis hin zu parodistischen Paraphrasierungen seinerzeit aktueller NDW-Titel (»Tortellini«) ; für die musikalische Verpackung wurden süßlich-seichte Dreiklang-Harmonien und gekonnt in den heißen Wüstensand (»Sansibar«) gesetzte Saxofon-Soli ebenso hemmungslos herangezogen wie kakofone Klang-Cluster und erfreulicherweise dann doch irgendwann einmal endende Freejazz-Exkursionen.Das unbekümmerte Spiel mit ihnen gelegen kommenden Fund- und Bruchstücken der außersprachlichen Wirklichkeit nutzten die Mythen nur zu gerne zum Legen falscher Fährten. So waren denn die meisten der auf den Plattencovern angegebenen Gastmusiker ebenso wie die Autoren ihrer Pressemitteilungen lediglich eher virtuell existent; beim angeblichen Live-Mitschnitt aus dem »Hanfbräuhaus Hüpede« handelte es sich in Wirklichkeit um das Ergebnis kurzweiliger Studio-Experimente.Egal, ob die Mitglieder der Band nun (wie meist) in brillanter Spiellaune waren oder gerade wieder obskuren Freeform-Konzepten frönten: Mythen-Auftritte pflegten sich durch hohen Unterhaltungswert auszuzeichnen; der »gelangweilt hinter seinem Instrument hockende Leihhaus-Organist« und der »ölige Sänger mit dem schmierigen Charme eines einäugigen Zuhälters« etwa waren dem professionellen Rezensenten eines der ersten Auftritte in der Werkstatt Odem, einem heruntergekommenen Hinterhof-Club in Hannovers Nordstadt, ein paar begeistert-nichtssagende Zeilen wert.Nachdem weder die auf massives Airplay hin geschriebene Single »Liebe im Funkhaus« noch ein knapp an der Seriosität vorbeischrammender Deal der Plattenfirma zu nennenswertem kommerziellem Erfolg führten, trennten sich 1983 die musikalischen Wege der Mythen. Was durchaus auch sien Gutes hatte, blieb doch so ein bereits in Planung befindliches Konzeptalbum zum Thema »deviante Rauschunterdrückungssysteme in landschaftlich reizvoller Umgebung« bis heute Rüdiment.Marion Pechstein in: »MusicCIty Hannover« © 2000Mit ein paar Overdubs von Ettzetera Pepe 2007
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