Helmut Willke
Aus dem Poiese Album:Als Vertreter einer bedrohten Theorieart wurde ich gerne als 'Anwalt des Teufels' (Sloterdijk) verschrien, was nicht nur kommunikative Ablehnung in meinem Bewusstsein hervorrief, sondern auch mit einer gewissen sozialen Anerkennung verbunden war. Unbestritten habe ich davon profitiert, dass auch Jürgen Habermas auf den systemkritischen Zug aufgesprungen war und meine Verteidigungsschriften als Provokation gegenüber seinem konkurstheoretischen Ansatz empfand. So konnte ich dank ihm der Weltöffentlicheit beweisen, dass der differenztheoretische, dia-bolische Standpunkt dem alteuropäischen Einheitsbrei um Meilen überlegen ist. Ich meinerseits musste mich nicht ein Leben lang mit Identitätskrisen herumschlagen, aufgrund derer sich die Selbstreferenzen einiger Philosophen beinahe im 'Nichts' aufgelöst hätten. Auch die leidlichen Diskussionen um Legitimität, Verantwortung und Rationalität und warum ausser den Philosophen und der Boulevardpresse in der Gesellschaft niemand etwas davon wissen will, habe ich mir dadurch erspart: Es war mir immer schon klar, dass, ein 'vernünftiges Subjekt' zu sein oder zu werden keine Garantie für eine, wie auch immer geartete, 'bessere' Autopoiese ist.Die mir angelastete Bosheit gegenüber allzu netten und kooperativen Theorieangeboten hat mir die alte Welt leider bis heute nicht verziehn. Selber hatte ich jedoch keine Probleme mit der Philosophie, die mir immer wieder gezeigt hat, wie man es nicht machen soll, und welche Potentiale durch gigantische blinde Flecken über 2000 Jahre lang verdeckt wurden und nun durch die Systemtheorie endlich aktualisiert werden können.Dass der 'Anwalt des Teufels' selbst nur ein Engel sein kann, wird leider von einer Vielzahl falscher Bewusstseine übersehen. Ich will das hier gar nicht weiter ausführen, es wäre zwecklos wie alles kommunizieren aus Freude an der Sache selbst. Das System ist wie es ist; natürlich könnte es auch anders, woraus sich aber nicht die Aufgabe des weltverbessernden Menschen, geschweige denn der Wissenschaft ableiten lässt. Alles in allem habe ich meine Nische im System gefunden und ausreichend Dissens hergestellt. Und so beobachte ich die Polemik um meine Person heute aus dem von mir, jenseits von Himmel und Hölle, gebauten Krähennest und stelle zufrieden fest: Ich habe überlebt! mehr:Kausalität im SüdenWahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Von Heinz von Förster Das gepfefferte Ferkel (Online Journal) Njet- Set und Terror- Desperados Soziale Systeme (Rezension) Ich sehe was, was du nicht siehst (Hörfeature von Peter Zudeick/Nordwestradio)