Der erste Klampfengott der Menschheitsgeschichte war wohl der vorsteinzeitliche Jäger, der im Beerenrausch nach seinem Bogen griff und sich dann minutenlang selbstverliebt dem unglaublichen Ton hingab, den er immer wieder durch eine kleine Bewegung seines Zeigefingers erzeugen konnte. Der erste Liedermacher war dann der, der in einem anderen Zustand herbaler Extase auf die Idee kam, dazu verbal seinen Sermon von sich zu geben. Wir wissen es nicht sicher, aber die Kunst des Liedermachens ist höchstwahrscheinlich fast so alt wie die Menschheit selbst.
In ihrer Geschichte war sie schon immer zeitgenössischen Strömungen unterworfen. Die Entwicklung des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts im deutschen Sprachraum ist das beste Beispiel dafür. Dem protestorientierten Liedermachertum der Sechziger und frühen Siebziger folgte die Phase der Liedermeyerei, die unter dem Deckmantel, das französische Chanson wiederaufleben zu lassen, ein bis dahin eher revolutionäres Genre der Bürgerlichkeit einverleibte und kommerziell bis aufs erbärmlichste ausquetschte. Kein Wunder, daß nach dem letzten Aufgebot der späten Siebziger, wo jeder Langhaarige, der drei Akkorde klimpern konnte, einen Plattenvertrag bekam, sich kaum noch jemand traute, als Liedermacher aufzutreten und so eine jahrtausendealte Tradition für Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit versank.
Keine große Plattenfirma hat derzeit einen Liedermacher unter 40 im Angebot. Trotzdem gibt es eine ausgeprägte neue Kultur des gesungenen Wortes in Deutschland, sie wird nur bisher von der Öffentlichkeit fast nicht wahrgenommen. Ihre Namen rufen bei den meisten nur ein Achselzucken hervor, dabei haben sie alle eine Qualität, die den wenigsten älteren Vertretern ihres Genres gegeben war: Unterhaltungswert. Da setzt sich tatsächlich einer mit ner Wanderklampfe vor die Leute und rockt den Saal. Da hört man plötzlich ein textorientiertes Lied zur Gitarre, ohne unmittelbar zu gähnen oder ein Schuldgefühl zu entwickeln. Nein, man muß lachen. Seltsam, nicht? Das kennt man gar nicht so. Gibt es aber. Und wenn du diesen langen Text tatsächlich bis zum Ende durchgelesen hast, dann hast du bestimmt auch deinen Spaß an den Longsongs von Mike Godyla oder den Wortkaskaden vom Flotten Totte.
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