Als 1984 eine Talentsucherin des Dresdener Kreuzchores vor die erste Klasse der POS "Wilhelm Pieck" trat, meldete ich mich nicht gerade aus Interesse auf die Frage, wer denn gern Sänger in einem Chor werden würde. Eigentlich wusste ich, gerade stolze 7 Jahre alt geworden, gar nicht wirklich was sie von uns wollte. Mit neugierigen Augen aber kompletter Kommunikations Verweigerung verfolgten meine Mitschüler und ich ihre Worte und Gesten.
Nie sah ich meine damalige Klasse so still und aufmerksam.
Gefangen zwischen Neugier und Angst sah ich meine Stunde gekommen, uns und sie zu erretten. Toll hatte ich das gemacht! Eine einzige Handbewegung, die mich aus der gepeinigten Masse erhob und mir die ewige Dankbarkeit sämtlicher Protagonisten sicherte.
Eine einzige Handbewegung, mit der mein Leben beginnen sollte..
Was da wirklich auf mich zukam wusste damals wahrscheinlich nur meine Mutter.
Als überzeugte Atheistin und Lehrerin für Naturwissenschaften hatte sie schon im Vorfeld der Werbeveranstaltung die Kirchenchorvertreterin um eine Nichtberücksichtigung meiner Person gebeten. Davon wusste ich freilich nichts als ich ihr freudestrahlend die Neuigkeit unterbreitete. Es folgten zwei Jahre Musikschule; Gesang und Blockflöte. Nach bestandener Aufnahmeprüfung zum Kreuzchor zog ich, ein Jahr nachdem meine Familie von Sachsen in den damaligen Bezirk Neubrandenburg zog, wieder zurück nach Sachsen. Diesmal aber allein, ins Internat nach Dresden.
Knirpse mit Aktenkoffern, durch die Dresdener Altstadt flanierend und des Nachts in Eiscafes das absolvierte Konzert Revue passieren lassend. Für einen 9jährigen Jungen vom Dorf war das ein gigantisches Erlebnis. Neben dem Gefühl sich als etwas Besonderes zu fühlen und den starken Freund-schaftsbanden untereinander gab es eigentlich wenig Grund für Freude oder gar Enthusiasmus. Früh Aufstehen, dann Schule, Chor und Klavierunterricht oder Einzelgesangsausbildung, später Hausaufgabenstunden und wieder Chor. Donnerstags gab es 4 Freizeitstunden, samstags und sonntags war zwischen den Konzerten und Gottesdiensten ebenfalls Freizeit. Wer dicht genug wohnte durfte dann sogar für ein paar Stunden nach Hause.
Dennoch wurden der Schmerz über den Verlust dieser Lebensart und das Gefühl der Leere, als ich nach einem Jahr und längeren Aufenthalten in der Krankenstation wieder in eine ganz normale Landschule gehen musste, zu einem elementaren Baustein meiner Musik. Nachhaltig beeinflussten mich Komponisten wie J.S.Bach und Heinrich Schütz aus dieser Zeit. Mit moderner Musik war ich kaum je in Berührung getreten.Den Klavierunterricht setzte ich noch einige Zeit fort, ich hatte Spass daran und vielleicht sogar Talent. Aber alles Nachhaken meiner ehemaligen Chor-Klavierlehrerin war angesichts der einsetzenden Pubertät aussichtslos. Sting trat in mein Leben, in Form zweier Tapes, die mir ein Freund ausborgte, die er, glaube ich, bis heute nicht wiederhat.
Eine Weile lang schien sich mein künstlerisches Interesse dem reinen Konsum zu ergeben, was durch mein Jugendweihegeschenk, meinen ersten Computer, einen AMIGA 500, glücklicherweise verhindert wurde. In massloser Arroganz versuchte ich, Freunden zu beweisen, dass ein Musikstück von Sting Kunst ist, während jeder Depp mit einem Computer irgendwelche "4 to the floor Techno Tracks"zusammenbasteln kann. So saß ich also vor Programmen wie Noise-, Pro- oder FastTracker und setzte Bassdrums und HiHats, Basslines uns Synthies artig auf ihre Positionen, wie man es später auch von "Music Instructor" demonstriert bekam. Was dabei herauskam fand ich stets super und fand in meinem Umfeld ebenso stets nur geringen Anklang.
So setzte ich weiter fleißig die Bassdrums und HiHats um, tauschte Basslines und Synthies aus und war wie immer felsenfest überzeugt, das ultimative Technobrett geschaffen zu haben. Da ich unbegreiflicherweise immer noch, das eine oder andere Instrument an eine nicht perfekte Stelle gesetzt zu haben, schien, verglich ich permanent meine eigenen Tracks mit anderen im Autoradio, auf der Fahrt zum Fussballspiel, oder auf Partys mit Freunden. Viel zu spät begriff ich, dass mich die so verabscheute Technomanie längst erfasst hatte.
Diese Musik, deren wie auch immer geartete Geräuschkulisse von brachialen Bässen und kreischenden Höhen aus dem Kopf in den Körper geschmettert wird, wirkte unglaublich befreiend. Verloren geglaubte Träume erhielten ein neues Wohnzimmer, unverdorben durch Kritik und Vernunft.
Hoffnungen eines Kindes und Erfahrungen eines Heranwachsenden, ein Knäuel von Konflikten; verbunden und gelöst, allein durch Musik. Wie gejagt experimentierte ich, mit neuer Software, neuer Hardware, mit Notations- und Midiprogrammen, mit Groovebox und Sampler, und immer wenn ich Angst bekam, mich in strukturellen Problemen zu verlieren, kam mir die Musik zu Hilfe.. Die Melodien aus jenem Wohnzimmer, sehnsüchtig und vorfreudig aus Klängen, die schmerzen wie streicheln, und Rhythmen, mal brechend mal treibend das Konstrukt zerstören und Leben erschaffen.
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